Antworten der Grünen

Berlin entwickeln – Entwicklungspolitischer Wahlcheck 2016: Die Antworten der Parteien

Entwicklungspolitischer Wahlcheck 2016 des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags e.V. (BER)

1. Berlin als Metropole stärkt die Zivilgesellschaft

Setzt sich Ihre Fraktion dafür ein, dass die Berliner Zivilgesellschaft in ihrem entwicklungspolitischen Engagement gestärkt wird?
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

 Ja.

Unsere Stadt ist Teil einer globalisierten und immer enger zusammenwachsenden Welt und hat den Anspruch, weltoffen und multikulturell zu sein. Berlin kann und muss Verantwortung übernehmen und einen Beitrag für mehr Gerechtigkeit leisten. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure tun dies bereits und engagieren sich für eine faire Eine-Welt-Politik. Vereine, Stiftungen und Verbände leisten mit vielfältigen entwicklungspolitischen Projekten sinnvolle und wertvolle Beiträge, Berlin zu einer nachhaltigen und gerechten Stadt zu entwickeln. Diese Arbeit gilt es zu würdigen und zu unterstützen. Die Einbeziehung der zahlreichen Organisationen, vor allem auch der migrantischen und diasporischen Community, in die Eine-Welt-Politik des Landes ist daher ungemein wichtig und unverzichtbar.

Trotz der überragenden Bedeutung der Zivilgesellschaft bleibt ihr volles Potenzial aber ungenutzt. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte im Bereich „Eine Welt“ fällt zu gering aus. Seit Jahren beantragen entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen sehr viel mehr Förderung als sie erhalten. Die Nachfrage liegt deutlich über den im Berliner Haushalt zur Verfügung gestellten Mitteln von 500.000 Euro jährlich. Zudem ziehen nur die geförderten Projekte Drittmittel nach Berlin, sie könnten also sehr viel höher sein. In den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2016 und 2017 haben wir GRÜNEN uns dafür eingesetzt, die Mittel für „Maßnahmen zur Förderung von Projekten, Bildungs- und Informationsarbeit in der Entwicklungspolitik“ jährlich um 300.000 Euro auf 800.000 Euro zu erhöhen. Damit hätten auch zusätzliche Drittmittel von mindestens 430.000 Euro jährlich gewonnen werden können. Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU haben unseren Antrag leider abgelehnt. Wir verfolgen das Ziel, zivilgesellschaftlichen Eine-Welt-Initiativen zu stärken und die Mittel für ihre wichtige Arbeit zu erhöhen.

2. Berlin ist Standort für faires Wirtschaften

Wird sich Ihre Fraktion dafür einsetzen, dass das Land Berlin soziale und ökologische Kriterien in der Wirtschaftsförderung verankert und die Umsetzung der Vorgaben des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes mit gebündelten Kompetenzen voran bringt? Wird sich Ihre Fraktion für eine gerechte Handelspolitik einsetzen? 
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

Ja.

Bündnis 90/Die Grünen sehen einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt bei der Weichenstellung für nachhaltiges und faires Wirtschaften. Wir wollen, dass Berlin zur Hauptstadt der Nachhaltigkeit wird. 

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Landes wollen wir die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards dadurch unterstützen, dass wir Kompetenz bei den Vergabestellen, die wir in ausgewählten Vergabestellen dafür bündeln wollen, ansiedeln. Bessere Kenntnis der Vergabekriterien des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes und bessere Beratung der Bieter*innen sind unser Weg, um Berlins Verwaltung mit fairen Produkten auszustatten. Die öffentliche Hand soll zum Vorbild für nachhaltigen Konsum werden. Wir wollen, dass im Vergabegesetz sozial-ökologische Kriterien eine stärkere Rolle als bisher spielen. Die Absenkung der Schwellenwerte für einzelne Kriterien nach dem BerlAVG lehnen wir auf das Schärfste ab. Der vom Senat vorgelegte Vergabebericht genügt in keiner Hinsicht den Anforderungen, die wir an einen solchen Bericht stellen.

Wir wollen, dass Berlin zur Hauptstadt fairen Handels wird. Daher möchten wir, dass Berlin zur „Fair Trade Town“ wird und keine Produkte beschafft, die aus Kinderarbeit stammen oder unter ökologisch untragbaren Bedingungen hergestellt wurden. Von Kaffee über Computer, Kleidung bis zu Baumaterial – Berlin muss fair, sozial und nachhaltig einkaufen. Auch das kann Berlin im Standortwettbewerb nutzen, denn es bescheinigt, dass wir in puncto gute Arbeit, Nachhaltigkeit und ökologische Produkte hohe Standards setzen. Das Label als faire Stadt kann Berlin im Standortwettbewerb nutzen, denn es bescheinigt, dass wir in puncto gute Arbeit, Nachhaltigkeit und ökologische Produkte hohe Standards setzen.

Wir setzen uns ein für eine konsequente Kreislaufwirtschaft, die die Produktion, die Nutzung und die Nachverwertung umfasst. Wir streben einen wirtschaftlichen Ansatz an, bei dem sämtliche Haupt-, Zwischen-, und Nebenprodukte wieder als Rohstoff in den technischen oder biologischen Kreislauf eingebracht werden („cradle to cradle“; „zero waste“). Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, wollen wir fördern und unterstützen. Ansiedlungen von Betrieben werden wir unter diesem Aspekt genau prüfen und finanzielle Unterstützung an Nachhaltigkeitskriterien messen. Die Förderprogramme der Berliner Förderbank IBB haben wir in diesem Sinne seit Jahren mitgestaltet und werden dies auch weiterhin tun.

Die Handelsabkommen TTIP und CETA in der derzeitigen Form lehnen wir ab. Dies betrifft nicht nur die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen in Schiedsverfahren ohne Öffentlichkeit. Diese Sonderrechte höhlen nach unserer Meinung Demokratie und Rechtsstaat aus. Wir setzen uns auch dafür ein, dass Berliner*innen weiter selbst und in einem demokratischen Prozess entscheiden können, ob eine Dienstleistung von Privaten oder der öffentlichen Hand erbracht wird. Die Daseinsvorsorge gehört nicht auf den Weltmarkt. Mit TTIP und CETA steigt der Privatisierungsdruck und Rekommunalisierungen (z.B. bei Wasser- oder Energieversorgung) werden nahezu unmöglich gemacht.

3. Berlin wird klimagerecht

Steht Ihre Fraktion zu dem Ziel, dass Berlin klimaneutral wird? Wird sich Ihre Fraktion für einen Kohleausstieg in Berlin und in der Lausitz einsetzen?
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

Ja.

Wir stehen zu dem Ziel, dass Berlin klimaneutral wird und unterstützen gleichzeitig einen raschen und verbindlichen Kohleausstieg in Berlin und der Lausitz. Wir sind die Fraktion in Berlin, die dazu die meisten parlamentarische Initiativen gestartet und auch außerparlamentarische Aktionen vor Ort in der Lausitz unterstützt hat.

Im Gegensatz zur Großen Koalition in Berlin bzw. auch der Brandenburger Regierungspartei Die Linke tragen wir den Kompromiss bei der Festschreibung der weiteren Nutzung der Braunkohle in der Gemeinsamen Landesplanung nicht mit. Wir haben den Senat mehrfach aufgefordert, mit Vattenfall zu einem zügigen Kohleausstieg in Berlin zu verhandeln. Gemeinsam mit der Brandenburger Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben wir parlamentarische Initiativen unternommen, um die Brandenburger Landesregierung zur Abkehr von der dort noch als „Brückentechnologie“ angesehen Braunkohlewirtschaft zu bewegen und weitere Umweltzerstörungen bis hin zur Trinkwassergefährdung in Berlin durch die Sulfat-Abwässer in der Spree zu vermeiden. 
 
Zusammenfassung unserer Forderungen: Wir wollen

  • den Kohleausstieg in Berlin bis spätestens 2030, bei der Braunkohle schon bis 2020. Dabei soll das Steinkohlekraftwerk Reuter C schon bis 2020 vom Netz gehen und die Nutzung von Braunkohle im Heizkraftwerk Klingenberg unverzüglich eingestellt werden. Dazu gab es verschiedene schriftliche und mündliche Anfragen unserer Abgeordneten.
  • weitere Braunkohletagebaue in Brandenburg stoppen
  • energetische Gebäudesanierung voranbringen und sozial gestalten. Dazu haben wir ein Fraktionspapier zu Klimaschutz in Gebäuden mit 12 Punkten erstellt (abrufbar unter http://www.gruene-fraktion-berlin.de/sites/default/files/160405%20Positionspapier_Klimaschutz%20in%20Geb%C3%A4uden.pdf)
  • energiewirtschaftliche Investitionen mit,klimapolitischem Nutzen und den Ausbau der Energienetze im Sinne der Energiewende (siehe dazu die Anträge unserer Fraktion Drcks. Nr. 17/2450 und Drcks. Nr. 17/2183).
  • ein starkes Klimaschutzstadtwerk als wesentlichen Akteur der Energiewende installieren (siehe dazu die Anträge unserer Fraktion Drcks. Nr. 17/1190 und Drcks. Nr. 17/1222).
  • ein Energiewende-Gesetz mit verbindlichen anspruchsvollen Klimaschutzzielen, welches mit konkreten Maßnahmen untersetzt wird, unsere Fraktion hat dazu verschiedene Änderungsanträge gestellt (siehe dazu Drcks. Nr. 17/2339).
  • das Land Berlin dazu bringen, sich für einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energie einzusetzen (siehe dazu die Anträge unserer Fraktion Drcks. Nr. 17/1722, Drcks. Nr. 17/2869).
  • den Ausbau der Energiesparberatung (siehe dazu die Anträge unserer Fraktion Drcks. Nr. 17/2086 und Drcks. Nr. 17/2379).
  • Berlin als Divestment-Hauptstadt etablieren, Finanzanlagen Berlins also nur noch ökologisch und nachhaltig tätigen (siehe Antrag unserer Fraktion Drcks. Nr. 17/2669).

Diese Forderungen decken sich überwiegend mit den von allen Abgeordnetenhaus-Fraktionen im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“, die von uns initiiert wurde, mitgetragenen Empfehlungen.  

4. Berlin lernt global

Wird sich Ihre Fraktion dafür einsetzen, dass Inhalte und Methoden des Globalen Lernens als Querschnittsthema in alle Fächer und Schulformen und in die Lehramts-ausbildung integriert werden?
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

Ja.

Wir freuen uns, dass unsere langjährige Forderung, das Thema „Nachhaltige Entwicklung/Lernen in Globalen Zusammenhängen“ endlich in den Rahmenlehrplan für Berlin-Brandenburg als fächerübergreifendes Thema verbindlich verankert wurde. Nun gilt es dieses Thema auch in den Schulunterricht hineinzutragen. Hierfür werden wir uns in der kommenden Legislatur einsetzen: Insbesondere in der zweiten Ausbildungsphase der Lehramtsausbildung, aber auch bei der Fort- und Weiterbildung muss der Themenkomplex „Nachhaltige Entwicklung/Lernen in Globalen Zusammenhängen“ stärker implementiert werden. Wie sich unser Konsum global auswirkt und was Verbraucher*innen beachten sollten, wollen wir in der Bildung unserer Kinder verankern. Für entsprechende Angebote in Schulen wollen wir auch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungsträgern verbessern.

5. Berlin arbeitet seine Kolonialvergangenheit auf

Setzt sich Ihre Fraktion für konkrete Maßnahmen zur kritischen Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Berlins ein?
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

Ja.

Ja, wir wollen eine lebendige Erinnerungskultur, wir wollen Berlins koloniale Vergangenheit aufarbeiten. Zur politischen Verantwortung gehört, sich mit der eigenen Vergangenheit bewusst auseinanderzusetzen. Wir wollen deshalb zum kritischen Nachdenken anregen und die Erinnerung, auch an Berlins koloniale Vergangenheit als Hauptstadt des Deutschen Reiches, aufrechterhalten. Straßen und öffentliche Orte, deren Namen den deutschen Kolonialismus verharmlosen, sollen partizipativ umbenannt werden.

Im geschichtsträchtigen Berlin ist die deutsche Kolonialgeschichte, einschließlich des Genozids an den Herero und Nama in Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, bei dem zwischen 1904 und 1908 deutsche Kolonialtruppen Zehntausende getötet haben, seltsam abwesend. Wir werden in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ein gesamtstädtisches Erinnerungskonzept entwickeln und umsetzen. Dazu gehört, dass die Landesregierung den Völkermord an den Herero und Nama in Namibia offiziell anerkennt und die Bundesregierung auffordert, ihrer Verantwortung nachzukommen. Menschliche Gebeine sollen unter würdigen Umständen in die Ursprungsländer rücküberführt und Eigentumsrechte geraubter Kulturgüter geklärt werden. Namen öffentlicher Orte, die den deutschen Kolonialismus verharmlosen, möchten wir mit der breiten Beteiligung aller Betroffenen umbenennen. Hier schließen wir an grüne Erfolge in Friedrichshain-Kreuzberg an. Genozid und deutsche Kolonialverbrechen sollen fester Bestandteil der Berliner Bildungspolitik werden. Die Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Windhoek wollen wir weiter ausbauen und verlässlich finanzieren. Schließlich gehört zu einem umfassenden Konzept auch eine Gedenkstätte mit ständiger Ausstellung zur deutschen Kolonialgeschichte und zum Völkermord, die Lernerfahrungen bietet und Ort der Erinnerung ist.

6. Berlin schafft ein entwicklungspolitisches Zentrum

Unterstützt Ihre Fraktion die Initiative Berlin Global Village beim Aufbau eines Eine-Welt-Zentrums?
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

Ja.

Ja. Mit uns wird das schon lange versprochene Eine-Welt-Haus in Berlin endlich gebaut. Wir setzen uns dafür ein, dass es endlich das Eine-Welt-Zentrum in Berlin gibt und unterstützen die zivilgesellschaftlichen Initiativen darin.

7. Berlin hat gute entwicklungspolitische Strukturen

Werden Sie in Ihrer Fraktion entsprechende Strukturen und Mandate einrichten oder fortführen?
x Ja → Wie?       0 Nein → Warum nicht?

Ja.

Bei uns ist das Thema Eine Welt bereits stark verankert und wird als eigenständiges Politikfeld bearbeitet. In unserem Wahlprogramm finden sich viele Forderungen und Projekte aus dem Bereich Eine Welt, die wir in Berlin umsetzen möchten. Bündnis 90/Die Grünen Berlin hat eine Landesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationales, die sich intensiv mit den Themen befasst. In unserer Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin haben wir eine entwicklungspolitische Sprecherin.