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Softex

Wirkungsvolle Solidarität mit der Refugee-Bewegung – Ausstellung, Rundgang und Podiumsdiskussion im Berlin Global Village – ein Projekt vom Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER), Berlin Global Village und CADUS

***english below***

Im Oktober 2012 besetzten Refugees aus ganz Deutschland den Berliner Oranienplatz, um gegen die Lebensbedingungen geflüchteter Menschen zu protestieren. Aktivist*innen unterstützten die Struktur vor Ort mit Kleidung und Lebensmittel. Der BER veröffentlichte den Luhmer Appell als Solidaritätserklärung mit den Geflüchteten und forderte ihre Anerkennung. Andere entwicklungspolitische Gruppen organisierten künstlerische Beiträge bei den täglich stattfindenden „Roses for Refugees“.

Zwei Jahre später war das Camp geräumt, durch den Syrien-Krieg verstärkte sich die Migration und mehr als eine Million Menschen flüchteten seitdem nach Deutschland. Ihren Weg nach Europa haben sie unter Lebensgefahr und bei katastrophalen Bedingungen angetreten. Unterstützer*innen haben auf dem Balkan und in Griechenland Nothilfe (z.B. Seenotrettung) und humanitäre Hilfe (Kleidung, Ärzte, Suppenküchen und vieles mehr) geleistet.

Die Kritik an der paternalistischen Unterstützung und Willkommenskultur, an dem Hilfstourismus privilegierter Europäer*innen, hat mittlerweile zu einer Reflexion darüber geführt, wie eine wirkungsvolle Solidarität geleistet werden kann, ohne bestehende Machtverhältnisse weiter zu zementieren. Die Frage nach einer Solidarität ohne Paternalismus stellt sich auch entwicklungspolitischen Akteur*innen immer wieder.

Ausgehend von dieser Frage haben wir antirassistische, entwicklungspolitische und geflüchtete Aktivist*innen eingeladen, um gemeinsam die eigene politische Praxis zu hinterfragen und Strategien der Veränderung zu diskutieren.

Ausstellung von Christian Vagt: Softex – Fotografien eines Lagers

VERLÄNGERT! vom 11.01.2017 bis 01.03.2017, Öffnungszeiten Mo bis Do 10:00 – 16:00 Uhr oder nach Vereinbarung im Berlin Global Village, Am Sudhaus 2, 12053 Berlin, 2. Etage

Softex ist ein von dem griechischen Militär und der Polizei geführtes Lager in einem Industriegebiet Thessalonikis. Geflüchtete Menschen leben hier unter schlechten Bedingungen in Zelten in der ehemaligen Halle einer Toilettenpapierfabrik und auf der Brache dahinter.

„Die Bilder entstanden an drei Tagen im Juni und Juli 2016. Ich fotografierte aus dem fahrenden Auto, auch um den Zufall in die Entstehung des Bildes einfließen zu lassen. Der Zufall schafft Bilder, die der Verstand nie machen könnte. Ich wollte keine Einzelschicksale erzählen, keine Nähe vortäuschen, dem Betrachter nicht ermöglichen, sich durch Einfühlung der eigenen Menschlichkeit zu vergewissern, sich so zu erleichtern. Diese Einfühlung ersetzt die Geste, etwas zu verändern.“ (Christian Vagt)

Mehr Infos zum Fotoprojekt und Fotografen

Mehr Infos zum Fotoprojekt und Fotografen (englisch)

Mittwoch 11.01.2017, ab 19:15 Uhr: Rundgang und Eröffnung mit dem Fotografen Christian Vagt und Aktivist*innen der Refugee-Support-Tour im Sommer 2016

Die Refugee Support-Tour ist ein Zusammenschluss von Menschen, die Geflüchtete an den Grenzen Europas oder in europäischen Flüchtlingscamps unterstützen. Durch die Fotoausstellung von Christian Vagt, die auf einer Tour im Sommer nach Griechenland entstanden ist, führen zwei Aktivist*innen und der Fotograf. Da die Intensität der Arbeit vor Ort wenig Raum dafür ließ, haben sie mit etwas zeitlichem Abstand ihre eigene Tätigkeit kritisch reflektiert. Wo sind sie ihren antirassistischen Ansprüchen gerecht geworden, und wo haben sie Stereotype bestätigt und Differenzen befördert?

Mittwoch 01.02.2017, 17:00 – 19:00 Uhr: Podiumsdiskussion: Wie kann Solidarität funktionieren? Podium zur kritischen Reflexion von Unterstützungsstrukturen der Refugee-Bewegung im Rahmen des BER-Netzwerktreffen

Der Unwille der EU-Staaten, Geflüchtete menschenwürdig zu empfangen und aufzunehmen, die reihenweise Schließung der Grenzen und weitere Maßnahmen zur Abwehr Geflüchteter – für jeden der Millionen Geflüchteter werden die europäischen Außengrenzen zur Lebensgefahr, Flucht zu einem Martyrium unter katastrophalen Bedingungen.

Aktivist*innen versuchen Nothilfe (z.B. Seenotrettung) und humanitäre Hilfe an den europäischen Außengrenzen zu leisten oder sich mit Geflüchteten in Deutschland zu solidarisieren. Die kritische Reflexion des eigenen Handelns und der gesellschaftlichen Position der Beteiligten rückt angesichts der akuten Not in den Hintergrund. Dadurch wird die Kritik an der Solidarität und die Schlussfolgerung, dass sie bestehende Ungleichheiten festigt, anstelle zu deren Aufhebung beizutragen, immer lauter. Dieser Aktivismus wird dann ähnlich wie bei entwicklungspolitischen Freiwilligendiensten im Ausland durch das eigene Privileg wieder zurückkehren zu können zum „Holidarity und Voluntourism“ (https://reflactionistcollective.noblogs.org).

Die antirassistische Linke und entwicklungspolitische Nord-Süd-Aktivist*innen stehen vor der gleichen Frage: Wie können sie sich wirkungsvoll solidarisieren und zur Veränderung beitragen, ohne bestehende Machtverhältnisse zu reproduzieren?

Impulse von und Diskussion mit:

  • Llanquiray Painemal vom Migrantinnen-Netzwerk respect und Leiterin des Projekts „Willkommen ohne Paternalismus“ von glokal e.V.
  • Mezdek Osman, Geflüchteter und syrisch-kurdischer Aktivist in der Solidaritätsbewegung von Griechenland nach Deutschland
  • Sofia Casarrubia, Vorstandsbeisitzende von AfricAvenir, die zuletzt das entwicklungspolitische Bildungsprojekt „Afrikanische Perspektiven auf Flucht und Migration“ durchgeführt haben
  • Sebastian Jünemann von CADUS, eine Organisation, die die Seenotrettung von Geflüchteten vor Lesbos unterstützt hat

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ein Projekt vom Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER), Berlin Global Village und CADUS

Ausstellung und Rundgang (2. Etage) sowie Diskussion (Erdgeschoss) im Berlin Global Village, Am Sudhaus 2, 12053 Berlin, 

*** english version ***

Exhibition of Christian Vagt: Softex – Photographs of a camp

from 11.01.2017 to 01.03.2017, opening hours Monday to Thursday 10:00am – 4:00pm or on appointment at Berlin Global Village, Am Sudhaus 2, 12053 Berlin, 2nd floor

Softex is a military and police run camp in an industrial region of Thessaloniki. Refugees live under appalling conditions in tents in the former warehouse of a toilet paper factory and the wasteland behind it. The images were made in three days in June and July 2016.

„I photographed from a moving car, in part to let chance flow into the creation of the image. Accident creates images that intellect could never make. I did not want to recount the fates of individuals, nor fake proximity, nor enable the spectator through pity to reassure himself of his humanity and therefore to find relief. This kind of pity replaces the gesture of causing change.“ (Christian Vagt).

The Refugee Support Tour is a group of people that attempts to support refugees along the European borders and in refugee camps inside Europe. We two activists and photographer Christian Vagt will lead through the exhibition and reflect our activism in a critical way: Did we meet our own expectations of anti-racist support and where did we confirm stereotypes and promote differences?

It’s a public event – please invite friends and family! The exhibition is on the second floor.

Wednesday, 1st of February 2017, 5-7pm: How can solidarity work? A panel discussion on critical reflection of support structures acting in the refugee movement (as part of public BER-meeting)

The indignation of the EU-countries to welcome and to shelter refugees with dignity, the closing of the european borders and more violent measures to keep refugees outside made it a life-threatening danger for everyone out of the million(s) of refugees to leave their countries in order to cross the outer european borders. Leaving ones country to look for safety and political protection became an unpredictable risk unter appalling conditions.

Activists try to provide humanitarian aid along the european borders or to show solidarity with refugees in Germany. The critical reflection of the own actions and words as well as the social position of the activists become less important in situations of acute need and policital grievances. That´s why more people are claiming for a more critical reflection of this “solidarity work”. They come to the conclusion that this kind of “solidarity” rather consolidates racial and political differences than to abolish them. Critical voices call the privilege among volunteers and solidarity workers of being able to return to their home any time they want as “holidarity und voluntourism“ (https://reflactionistcollective.noblogs.org/.

The antiracist-left movement and developmental north-south-acivists ask themselves the same question: How does effective solidarity work and how can solidarity contribute to a political change rather than reproducing existing balances of power.

Discussion with:

  • Llanquiray Painemal of network for female migrants „respect“ and head of the project „Welcoming without paternalism“ by glokal e.V.
  • Mezdek Osman, refugee and syrian-kurdish activist who has been active in the solidarity movement from Greece to Germany
  • Sofia Casarrubia of AfricAvenir who realized the educational project „African perspectives on flight and migration“ (not yet confirmed)
  • Sebastian Jünemann, activist of CADUS who was engaged in sea rescue service on greek island Lesbos/ Lesvos

It’s a public event – please invite friends and family! The event is on ground floor.