Was braucht es für eine gute Partnerschaft?
Impuls aus BER-Newsletter Nr. 5 I Mai 2023
Rosa López, Promotorin für globale Solidarität in Partnerschaften, reflektiert über Wirkungen und Hindernisse in der entwicklungspolitisch ausgerichteten (Städte-)Partnerschaftsarbeit. Die Promotorin arbeitet für den Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Kreuzberg – San Rafael del Sur, den sie schon seit ihrer Kindheit kennt. Von daher betrachtet sie die Partnerschaftsarbeit aus vielen Blickwinkeln.
Viele haben heute keine Vorstellungen darüber, was hinter der Idee von Städtepartnerschaften steckt. Und diejenigen, die ein Bild vor Augen haben, assoziieren damit ein auf Papier festgehaltenes Bekenntnis, Wimpeltausch zwischen Kommunen, etwas Altbackenes oder kulturellen Jugendaustausch. Darin liegt auch ein Stück Wahrheit: Es gibt viele Städtepartnerschaften, die brachliegen und nur auf dem Papier bestehen. Auch haben viele Städtepartnerschaftsvereine damit zu kämpfen, dass wenig junge Mitglieder nachkommen und ihre Mitgliedschaft überaltert ist. Dies liegt sicher auch an der Entstehungsgeschichte von Städtepartnerschaften.
Wurzeln und Wirkung der Städtepartnerschaftsbewegung
Städtepartnerschaften wurden nach dem 2. Weltkrieg mit dem Grundgedanken abgeschlossen, „durch direkte Kontakte und Begegnungen der Bürger und Kommunen für den Frieden, für Verständigung und Miteinander“ zu werben und diese zu stärken (Woesler 2006:413). Laut dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) gibt es heute über 7.000 Partnerschaften und Freundschaften zwischen Kommunen und zwischen Städten. In 90 Prozent der Fälle sind die Partnerschaften innereuropäisch und bei knapp zehn Prozent handelt es sich um Partnerschaften mit Gemeinden oder Städten außerhalb Europas.
Städtepartnerschaften sind durch eine große Vielfalt an Formen, Aktivitäten und Akteur*innen charakterisiert. Letztere engagieren sich schon Jahrzehnte ehren- oder hauptamtlich aus der Zivilgesellschaft heraus – und teilweise auch in den Verwaltungen. Sie alle fördern gesellschaftliches Engagement und Zusammenhalt, schaffen internationale Austauschräume, setzen zahlreiche Projekte um und haben dadurch großes transformatives Potenzial.
Relevanz der Partnerschaften
„Völkerverständigung“ und „Versöhnung“ sind Konzepte, die in den letzten Jahrzehnten einen Bedeutungsverlust erlitten haben. Der Krieg in der Ukraine zeigt jedoch ihre aktuelle Relevanz.
Auch ist es in Zeiten multipler globaler Krisen und dem bestehenden Machtgefälle zwischen Nord und Süd besonders wichtig, Nord-Süd-Partnerschaften in den Fokus zu rücken und zu stärken, denn sie machen den bisher kleineren Teil der Partnerschaftsarbeit aus, haben aber ein großes Potenzial zum Abbau dieser beizutragen. Positiv ist, dass sich bei den Neugründungen ein klarer Trend hin zu Nord-Süd-Partnerschaften abzeichnet. Es lohnt sich also, in diese Nische der entwicklungspolitischen Arbeit einen genaueren Blick zu werfen.
Städtepartnerschaften als Form einer Solidaritätsbewegung
Der StäPa-Verein Kreuzberg-San Rafael del Sur, für den ich als Fachpromotorin tätig bin, steht beispielhaft für die Partnerschaftsvereine, die nach der sandinistischen Revolution in Nicaragua gegründet wurden. Er betreibt seit über 35 Jahren eine (meist) sehr erfolgreiche, wirkungsvolle Arbeit und zeigt die oft verkannten Potenziale von städtepartnerschaftlicher Arbeit.
Zum Hintergrund: Der 1979 erfolgreiche Volksaufstand unter der Führung der FSLN, der Sandinistische Front zur Nationalen Befreiung, hatte der von den USA unterstützten blutigen Somoza-Diktatur ein Ende bereitet. In Deutschland schlossen sich damals Vertreter*innen von Jugendverbänden, Gewerkschaften und engagierte Einzelpersonen zusammen, um den emanzipatorischen Prozess in Nicaragua zu unterstützen. In den 80er und 90er Jahren wurden über 25 offizielle Städtepartnerschaften gegründet, fast alle aus der Zivilgesellschaft heraus initiiert und mit dazugehörigen Vereinen.
Vom reinen Soli-Verein zur EZ-Finanzierung
Der StäPa-Verein Kreuzberg-San Rafael del Sur setzte sich zunächst dafür ein, Berliner*innen über die politische, wirtschaftliche sowie militärische Lage in Nicaragua während des Contra-Krieges zu informieren. Damals wurden die sogenannten Contra-Rebellen in einem Stellvertreterkrieg durch die USA mit dem Ziel finanziert, die sandinistische Regierung zu stürzen. Außerdem organisierte der Verein Arbeitsbrigaden und führte verschiedenste kleine Wiederaufbauprojekte in San Rafael del Sur durch. Finanziert wurde alles aus privaten Spenden.
Auf den ersten Blick lag der Fokus auf den Partnergemeinden im globalen Süden, um die prekären Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern. Doch geht es bis heute auch darum, Bewusstsein zu schaffen für die globalen Machtverhältnisse sowie für die Ursachen der jahrhundertelangen ungleichen Ressourcenverteilung, um den Wohlstand hier zu ermöglichen. Dem StäPa Verein Kreuzberg-San Rafael del Sur ist es bis heute wichtig, durch intensive Informationsarbeit einen Gegengewicht zur einseitigen Berichterstattung über Nicaragua zu schaffen.
In den 90er Jahren entschied der Verein, seine Projekte auch mit staatlich geförderten Programmen zu finanzieren. Damit ging ein Prozess der Institutionalisierung der Partnerschaft einher. Dies bot neue (Handlungs-)Möglichkeiten: es wurden beispielsweise größere Projekte zum Wiederaufbau und zur Verbesserung der Lebensumstände vor Ort umgesetzt. Auch wurden dadurch Austauschprojekte möglich, in denen mehr junge Menschen aus San Rafael del Sur nach Berlin kommen konnten und andersherum. Gleichzeitig begab sich der Verein damit in Strukturen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Als Folge des deutlich erhöhten Einsatzes von finanziellen Mitteln verstärkte sich das Machtungleichgewicht zwischen den Partnern.
Maßnahmen gegen Machtungleichheiten in der Partnerschaft
Versuchen wir selbstkritisch unsere kommunale internationale Zusammenarbeit im Kontext von Dekolonisierung zu beurteilen, so müssen wir feststellen, dass es schwer ist, unserem Selbstbild als solidarische und vor allem gleichberechtigte Städtepartnerschaft in der Praxis stets gerecht zu werden.
Um dem entgegenzuwirken, ist ein unverzichtbarer Teil unserer Partnerschaftsarbeit, die Förderlogiken für unsere Partner transparent zu machen und für die Interessen unserer Partner gegenüber den EZ-Institutionen einzustehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbindung der hier lebenden Nicaraguaner*innen in unsere Projekt- und Öffentlichkeitsarbeit in Berlin.
Außerdem ist es für eine gleichberechtigtere, aber auch langfristig funktionierende Partnerschaftsarbeit wichtig, dass die Städtepartnerschaft sowohl von lokalen Entscheidungsträger*innen und städtischen Verwaltungen als auch durch die Zivilgesellschaft getragenen wird. Dies scheint bei den meisten, bis heute immer noch aktiv bestehenden (Nicaragua-) Städtepartnerschaften ein Teil des Erfolgsrezeptes zu sein. Zusätzlich zeichnen sich viele Städtepartnerschaften – so auch unsere – hauptsächlich durch ehrenamtliche Arbeit und eine Vielzahl unterschiedlicher Projektaktivitäten aus: Von intensiver Öffentlichkeits- und Informationsarbeit über Bildungsarbeit bis hin zu entwicklungspolitischen Projekten im Bereich der Menschenrechte, Demokratieförderung, Trinkwasserversorgung, Gesundheit, Frauenrechten und vielem mehr.
Letztlich profitierten also in den über 35 Jahren Städtepartnerschaft die Berliner*innen bzw. Kreuzberger*innen von den zahlreichen Besuchen, Diskussionen und Verbindungen. Städtepartnerschaften tragen einen wichtigen Teil zur Stärkung einer selbstbestimmten Entwicklung und der demokratischen Beteiligung aller an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bei.
Krise in Nicaragua und Folgen für die StäPa
Getrübt wird dieses Bild allerdings seit fünf Jahren durch die tiefe soziopolitische Krise in Nicaragua, die es den meisten NGOs vor Ort, darunter auch den Städtepartnerschaften, unmöglich macht, ihrer Arbeit wie bisher weiter nachzugehen (mehr Infos dazu auf: www.staepa-berlin.de). Dennoch trotzen viele der Nicaragua-Städtepartnerschaften – wenngleich leider nicht alle – den repressiven politischen Bedingungen: sie vernetzen sich untereinander, zeigen sich solidarisch mit der nicaraguanischen Zivilgesellschaft sowie mit den im Exil oder in der Diaspora lebenden Nicaraguaner*innen und lassen die Solidaritätsbewegung der 80er zum Teil in neuer Form wiederaufleben. Auch mit meinen Aktivitäten und Maßnahmen als Promotorin für globale Solidarität in Partnerschaften steuere ich zu dieser Entwicklung bei.
Potenziale langjähriger Partnerschaftsarbeit
Ähnliches sehen wir jetzt im Kontext des Ukraine Krieges mit den vielen Solidaritätspartnerschaften, die mit Kommunen vor Ort entstehen und die sich stark mit schon bestehenden Städtepartnerschaften in der Region vernetzen und Erfahrungen austauschen. Beispielhaft ist auch die StäPa zwischen Kreuzberg und Dêrik in dem von Krieg und Krisen gerüttelten Nord-Syrien. Es wird deutlich, wie groß das Potenzial langjähriger Partnerschaften ist und welche Relevanz das SDG 17 hat, das auf Globale Partnerschaften für eine nachhaltige Entwicklung setzt.
Starke soziale Beziehungen auf persönlicher Ebene sowie zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen auf beiden Seiten können herausfordernde und instabile Zeiten besser überwinden und dabei handlungsfähiger bleiben im Vergleich zu kurzlebiger Projektarbeit. Insbesondere dann, wenn auf staatlicher Ebene, sowohl national als auch kommunal, diplomatische Beziehung fast unmöglich sind.