Nickel aus Indonesien für die Antriebswende in Deutschland
Indonesien hat weltweit die größten Vorkommen an Nickel. Das Interesse an dem Rohstoff steigt, weil er für die Produktion von Batterien für die Elektromobilität unerlässlich ist. Während Indonesien daran arbeitet, seine Wertschöpfungsketten im eigenen Land auszubauen, möchte sich die EU den Zugang zum Rohstoff sichern. Auch Deutschland ist am indonesischen Nickel interessiert, um seine Exportabhängigkeit von anderen Nicht-EU-Ländern zu verringern. Deutsche Firmen wie Volkswagen und BASF planen Investitionen in die indonesische Nickelindustrie. Vor diesem Hintergrund setzt sich Eine Welt-Promotorin Leona Pröpper von Watch Indonesia! e.V. mit den verheerenden menschenrechtlichen und ökologischen Auswirkungen des Nickelabbaus in Indonesien auseinander. (BER)
aus dem BER-Newsletter 2/2024 im Februar 2024
Nickel aus Indonesien für die Antriebswende in Deutschland
Indonesien verfügt mit ca. 21 Millionen Tonnen über die weltweit größten Nickelvorkommen. Der Rohstoff wird hauptsächlich für Legierungen und bei der Stahlveredelung verwendet. Die Nachfrage nach Nickel steigt jedoch, weil es als Komponente bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos unerlässlich ist. Gemäß einer Prognose wird der EU-weite jährliche Bedarf an Nickel zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien im Jahr 2030 voraussichtlich bei 112 Kilotonnen liegen, verglichen mit lediglich sechs Kilotonnen im Jahr 2018. Die ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen der Antriebswende am anderen Ende der Wertschöpfungskette sind verheerend.
Globales Gerangel um die Wertschöpfungskette
Lange Zeit fungierte Indonesien als reiner Rohstofflieferant, wobei die Veredelung und Weiterverarbeitung und die anschließende Produktion höherwertiger Waren in den importierenden Ländern, hauptsächlich in China, stattfand. Die indonesische Regierung arbeitet jedoch bereits seit 2014 verstärkt daran, die Wertschöpfung im eigenen Land zu halten. Ein 2014 verhängtes Exportverbot für unverarbeitete Mineralerze zeigte nicht die erhoffte Wirkung und wurde im Jahr 2016 weitgehend ausgesetzt. Anfang 2020 kam es zu einer deutlich strikter reglementierten Neuauflage des Exportstopps, was weltweit steigende Nickelpreise zur Folge hatte. Die EU sah darin einen Verstoß gegen Handelsregeln und eine unfaire Benachteiligung der eigenen Edelstahlindustrie und legte bei der WHO Beschwerde ein, die zugunsten der EU entschieden wurde. Indonesien strengte dagegen ein Berufungsverfahren an, dessen Ergebnis aussteht.
Dass die EU offen im Widerspruch zu der regelmäßig von ihr selbst beschworenen Partnerschaft auf Augenhöhe handelt, die sie mit Ländern des Globalen Südens führen möchte, zeigt auch die im Dezember 2023 vom EU-Parlament beschlossene Verordnung zu kritischen Rohstoffen. Sie legt fest, wie künftig eine „sichere, widerstandsfähige und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen gewährleistet“ werden soll. Neben der Diversifizierung von Rohstoffimporten sieht die Verordnung eine Förderung des Abbaus, der Weiterverarbeitung und Wiederverwertung sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU vor. Bemerkenswert ist dabei die Vorgabe, dass 40 Prozent der Weiterverarbeitung kritischer Rohstoffe innerhalb der EU erfolgen soll. Dem Bestreben rohstoffexportierender Länder wie Indonesien, stärker selbst von der Wertschöpfung zu profitieren, möchte die EU mit dieser Verordnung Grenzen setzen.
Nickelabbau in Indonesien und seine ökologischen Folgen
Die Herstellung von Batterien für Elektroautos erfordert hochwertiges Nickel der Klasse I, das durch komplexe und teilweise toxische Verfahren gewonnen werden muss. Zu diesem Zweck haben chinesische Unternehmen in indonesischen Nickelabbaugebieten Industrieparks errichtet, die mit Aufbereitungs- und Verarbeitungsanlagen ausgestattet sind und durch Flughäfen und Seehäfen mit dem Rest des Landes sowie den Exportmärkten verbunden sind.
Die zwei Nickelzentren des Landes sind der Indonesia Morowali Industrial Park (IMIP) auf der Insel Sulawesi und der Indonesia Weda Bay Industrial Park (IWIP) auf der Insel Halmahera. Beide Parks haben laut indonesischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen eine katastrophale Umwelt- und Menschenrechtsbilanz und sind verantwortlich unter anderem für Abholzungen, die Verschmutzung von Trinkwasser, Gewässern und Böden und Vertreibungen, Gesundheitsrisiken, soziale Konflikte und schlechte Arbeitsbedingungen.
In Indonesien befinden sich die Nickelablagerungen hauptsächlich als Lateritablagerungen nahe der Erdoberfläche. Diese werden durch Tagebau gewonnen, was zu schwerwiegenden Eingriffen in die Natur führt. Laut der indonesischen Umweltorganisation WALHI erstrecken sich die bis 2022 vergebenen Konzessionen zum Nickelabbau auf über 1 Million Hektar; einer Fläche, die fast viermal so groß ist wie das Saarland.
Auch die Weiterverarbeitung stellt eine erhebliche Belastung für die Umwelt dar. Abhängig davon, in welcher Form das Lateriterz vorliegt, wird der Rohstoff in unterschiedlichen Verfahren weiterverarbeitet. Das Saprolit, ein Lateriterz mit einer höheren Nickelkonzentration, wird in der Regel in sog. Drehrohröfen unter hoher Temperatur weiterverarbeitet. Die Energie für dieses Verfahren stammt vorrangig von Kohlekraftwerken. Im IWIP sind bereits fünf eigene Kohlekraftwerke errichtet und werden sieben weitere entstehen. Sobald alle 12 Kraftwerke voll einsatzbereit sind, werden sie laut Climate Rights International in einem Jahr mehr Kohle verbrauchen als Spanien oder Brasilien.
Mittlerweile sind jedoch die größten Saprolitvorkommen in Indonesien bereits abgebaut. Das verbleibende Limonit, ein Lateriterz mit deutlich niedrigerer Nickelkonzentration, wird im sog. Hochdruck-Säurelaugung-Verfahren verarbeitet. Dieses Verfahren ist zwar deutlich weniger energieintensiv und verursacht einen geringeren CO2-Fußabdruck, allerdings fallen hierbei giftige Schlämme an, die entsprechend entsorgt werden müssen und so eines der größten Probleme des Bergbaus darstellen. Am Industriepark in Morowali beteiligte Unternehmen gaben an, jährlich 25 Millionen Tonnen giftiger Schlämme im Meer entsorgen zu wollen.
Beteiligung deutscher Firmen an menschenrechtlich fragwürdigen Nickelprojekten
Der deutsche Chemiekonzern BASF plant gemeinsam mit dem französischen Unternehmen Eramet den Bau eines Raffineriekomplexes im IWIP. Der 5.000 Hektar große Industriepark liegt in der Provinz Nord-Molukken. Die Weda Bay-Mine ist eine der größten Nickelminen der Welt. Nach Angaben der BASF sollen hier 42.000 Tonnen Nickel und 5.000 Tonnen Kobalt verarbeitet werden. Die voraussichtlichen Investitionskosten belaufen sich auf mehr als 2 Milliarden Euro. Eine endgültige Investitionsentscheidung wird laut Unternehmen 2024 erwartet. Für das Projekt hat BASF bei der Bundesregierung eine Ungebundene Finanzkreditgarantie über mehr als eine halbe Milliarde Euro beantragt. Eine Bewilligung dieser Kreditgarantie würde das Projekt als Teil der deutschen Rohstoffstrategie ausweisen.
Organisationen für Indigenenrechte kritisieren, dass das Bergwerk, aus dem das Nickel für den Raffineriekomplex stammt, auf Land liegt, das von den indigenen O‘Hongana Manyawa bewohnt wird. NGOs stufen diese Gruppe als „massiv bedroht“ und teilweise als „unkontakiert“ ein. Survival International bezweifelt deshalb, dass der Bau der Raffinerie in der Region legal ist, weil indigene Völker nach der UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker für Bergbauprojekte ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) geben müssen, was bei unkontaktierten Völkern nicht möglich ist.
Laut Berichten von NGOs und Wissenschaftler:innen verletzen Unternehmen seit Gründung des Industrieparks 2006 Umwelt und Menschenrechte: so hat die Nickelindustrie etwa in Zentral- und Ost-Halmahera zwischen 2017 und 2021 7.565 Hektar Wald gerodet und die erhebliche Verschlechterung der Wasserqualität des Trinkwassers und in den umliegenden Flüssen, Seen und im Meer verursacht. Die Fälle von akuten Atemwegsinfektionen haben sich durch die hohe Feinstaubbelastung verdreifacht. Anwohner:innen wurden ungerecht für ihr verlorenes Land entschädigt und teils bedroht und eingeschüchtert, um die für sie sehr nachteiligen Vereinbarungen zu unterzeichnen. Die Arbeitsbedingungen im Industriepark sind schlecht und gefährlich, die Unterkünfte für Arbeiter*innen unangemessen, Arbeitsverträge unsicher und die Löhne nicht ausreichend zur Deckung von Lebenshaltungskosten. Diese Bilanz lässt zweifeln, ob Firmen wie BASF hier in zukünftigen Projekten die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards und Arbeitsrechten gewährleisten können.
Neben BASF zeigte auch das deutsche Unternehmen Volkswagen Interesse, sich den Zugang zum indonesischen Nickel zu sichern und hat zu diesem Zweck Medienberichten zufolge 2021 ein Joint Venture mit Huayou und Tsingshan gebildet. Diese Vereinbarung sehe die Produktion von 120.000 metrischen Tonnen Nickel und 15.000 metrischen Tonnen Kobalt jährlich vor.
Fazit
Die mit dem Nickelabbau in Indonesien einhergehenden Probleme verdeutlichen, dass der Ausbau der E-Mobilität allein keine Garantie für Nachhaltigkeit darstellt. Dabei ist Nickel nur ein Beispiel von Rohstoffen für E-Mobilität, die mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung verbunden sind. Ähnlich verhält es sich mit dem für Elektromobilität unverzichtbaren Kobalt und Lithium. Eine notwendige sozial-ökologische Transformation in Deutschland darf jedoch nicht zu Lasten von Menschen und Umwelt im Globalen Süden gehen. Notwendig ist daher die Etablierung strenger Standards entlang der gesamten Lieferkette, angefangen beim Abbau, der Verarbeitung, Produktion und anschließenden Verwertung und Wiederverwendung.
Deutsche Firmen und die Bundesregierung tragen Verantwortung, dass bei der Versorgung der deutschen Industrie mit Rohstoffen Menschenrechte und Sorgfaltspflichten gewahrt werden. Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der ILO 169 zum Schutz der Rechte indigener Völker und mit dem Lieferkettengesetz zur Übernahme globaler Verantwortung bekannt. Der Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung bekräftigt zusätzlich die Verpflichtung zu menschenrechtlichen Verfahren und Standards im Bereich der Außenwirtschaftsförderung. Eine menschenrechtskonforme und ökologisch nachhaltige Beteiligung an der Nickelverarbeitung in Indonesien scheint vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen mehr als fragwürdig.
Die Zivilgesellschaft liefert Forderungen und Empfehlungen für eine global gerechte sozial-ökologische Transformation:
- Der Ressourcenverbrauch muss auf ein umweltverträgliches und global gerechtes Niveau sinken. Powershift e.V. zeigt, wie weniger Autos zu mehr globaler Gerechtigkeit führen. WEED e.V. liefert Hintergründe zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien als Beitrag zur Reduktion von Primärrohstoffen. Der BUND e.V. fordert eine Festlegung von absoluten und verbindlichen Ressourcenschutzzielen.
- Vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage nach metallischen Rohstoffen macht INKOTA e.V. Vorschläge, wie die Energie- und Rohstoffwende zusammengedacht werden können.
- In einem gemeinsamen Positionspapier analysieren 41 zivilgesellschaftliche Organisationen den EU-Gesetzentwurf zu kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act; CRMA) hinsichtlich seiner Defizite bei der Förderung einer global gerechten sozial-ökologischen Transformation und formulieren Empfehlungen für eine sozial gerechte und nachhaltige Rohstoffpolitik.
- Immer mehr Initiativen fordern einen ‚labour turn‘, d.h die stärkere Verschränkung von sozialen und Umweltfragen und die Transnationalisierung von (gewerkschaftlichen) Organisierungsstrategien, um Lösungspotenziale jenseits von Konsum und Lieferketten zu erschließen.
- Die indonesische NGO AEER gibt Empfehlungen zur Reduzierung der negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen des Nickelabbaus in den Nord-Molukken.
Der Text basiert auf einem von der Autorin erstellten Factsheet zum Thema