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Seit Oktober 2023 gibt es einen neuen Landesbeirat für Partizipation

Der neu gewählte Landesbeirat für Partizipation hat sich am 4. Oktober 2023 mit einer ersten Sitzung konstituiert. Das Gremium berät den Senat zu Partizipation und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte und verfasst Stellungnahmen. Die Eine Welt-Promotorin Maimouna Ouattara von moveGLOBAL erläutert Erfolge, Aufgaben, Entwicklungen und Herausforderungen des Landesbeirates. Als Promotorin setzt sie sich dafür ein, dass sich Migrant*innenorganisationen besser an politischen Prozessen im Land Berlin beteiligen können und hat bei der Novellierung des Partizipationsgesetzes mitgewirkt. Sie wird auch in der neuen Wahlperiode mit dem Landesbeirat zusammenarbeiten, für den sich alle Berliner*innen mit Migrationsgeschichte bewerben konnten. Das Gremium wird alle drei Jahre von Vereinen und Selbstorganisationen gewählt und trifft sich bis zu viermal im Jahr.

Erste konstituierende Sitzung des Landesbeirats für Partizipation am 4. Oktober 2023. ©Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration

Aufgaben des Landesbeirates und Erfolge

2003 wurde der Landesbeirat für Integration und Migrationsfragen –  jetzt Landesbeirat für Partizipation – von der Senatsverwaltung für Soziales eingerichtet. Aufgabe des Beirates war es damals wie gegenwärtig, die Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte in Berlin zu stärken und ihre Interessen und Bedürfnisse bei politischen Entscheidungsprozessen ebenso wie bei Verwaltungsangelegenheiten einzubringen. Als Gremium hat der Landesbeirat noch heute eine beratende Funktion und erarbeitet Stellungnahmen, die als ausformulierte Beschlüsse an die Senatsverwaltungen weitergereicht werden. Vertreter*innen von Migrant*innenorganisationen, andere nichtstaatliche Akteur*innen sowie Vertreter*innen der Senatsverwaltungen erarbeiteten in diesem Sinne gemeinsam Vorschläge für die Weiterentwicklung der Berliner Migrations- und Integrationspolitik.

Informationen zu Landesbeirat für Partizipation ©Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration

Seit ihrer Entstehung 2003 haben die Mitglieder des Landesbeirates Einiges angestoßen und wichtige Empfehlungen ausgesprochen: Das Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin (früher PartIntG, nach Novellierung PartMigG ): die „AG Partizipation“ des Landesbeirates für Integration hatte 2009 einen Bericht verfasst. Auf Grundlage dieses Berichtes wurde die Ausarbeitung eines Partizipationsgesetzes empfohlen. In ihrem Beschluss vom 22.04.2009 empfiehlt der Beirat: „In den Prozess der Ausarbeitung des Gesetzes sollen der Landesbeirat, die Vertreter*innen der Migrantorganisationen und der entsprechenden Dachverbände und Fachpolitiker*innen einbezogen werden.“ Mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes im Dezember 2010 war Berlin das erste Bundesland mit einem Partizipations- und Integrationsgesetz. Es ist allgemein anerkannt, dass dieses Gesetz maßgeblich auf eine Initiative des Landesbeirates zurückzuführen ist.

Als Gremium zur Beratung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in Fragen der Integration und Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte wurde der Beirat in das Auswahlverfahren der Beauftragten für Partizipation und Migration eingebunden.

Der Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen hat in den letzten Jahren Arbeitsgruppen unter anderem zu folgenden Themen gehabt: Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Förderung und Stärkung von Migrant*innenorganisationen, Frauen und Familien, Geflüchtete, PartIntG und Interkulturelle Öffnung der Verwaltung (IKÖ), Pflege, Hospiz und palliative Versorgung, rassismuskritische Verwaltung. Handlungsempfehlungen zu Integration und Migration in Berlin wurden einstimmig verabschiedet und an den Senat weitergereicht.

Veränderungen durch die Gesetzesnovellierung

Eine Evaluation des Gesetzes zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin (PartIntG) wurde im Auftrag des Integrationsbeauftragten von Berlin 2019 durchgeführt. Ziel war es, in einem partizipativen Prozess konkrete Entwicklungspotentiale, Handlungsoptionen sowie Weiterentwicklungen des Gesetzes zu identifizieren. In dem Abschlussbericht vom Februar 2019 wurden auch Entwicklungspotenziale für den Beirat aufgelistet. Es ging unter anderem darum, eine gut ausgestattete Geschäftsstelle für die inhaltliche und organisatorische Arbeit des Beirates einzurichten. Die Wahlperiode und Zusammensetzung des Beirates sowie die Verbindlichkeit, mit der Stellungnahmen angenommen bzw. umgesetzt werden, waren weitere Themen. Mit der Novellierung des „Berliner Gesetzes zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft“ in 2021 wurden einige Empfehlungen aus dem Bericht aufgegriffen.

Der neue Landesbeirat für Partzipation am 4. Oktober 2023 ©Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration

Die Veränderungen gibt es im Landesbeirat: Ein neues Auswahlverfahren wurde entwickelt, für das sich auch Personen mit Migrationsgeschichte auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit bewerben können. Das Gremium ist nun so zusammengesetzt, dass es eine ausgewogene und breite Repräsentanz verschiedener Gruppen mit Migrationserfahrungen gibt und in jedem Fall Frauen, junge Menschen, Menschen mit Behinderungen, Schwarze Menschen sowie Personen mit Fluchtgeschichte vertreten sind. Vor der Novellierung hatten die Vertreter*innen der Migrant*innenorganisationen keine Stimmenmehrheit gehabt – auch das hat sich gerändert. Es sind nun 13 gewählte Mitglieder (mit Stellvertretungen), die Menschen mit Migrationsgeschichte repräsentieren und die zusammen mit Vertretungen aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft im Rat zusammenarbeiten.

Gewählt werden die Beiratsmitglieder, die auf der öffentlichen Liste der Senatsverwaltung stehen, wobei sich alle Berliner*innen mit Migrationsgeschichte dafür aufstellen lassen können. Sie eint das gemeinsame Interesse, politische Partizipation für Menschen mit Migrationsgeschichte in allen Lebens- und Politikbereichen voranzutreiben.

Zahlreiche Themen stehen im Fokus

Bei Ihrer Bewerbung haben die Kandidat*innen die Möglichkeit gehabt, ihre inhaltlichen Themenschwerpunkte vorzustellen. Es sind vielfältige Themen, an denen sie inhaltlich mit Senatsverwaltungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeiten und sie bringen ihre Expertisen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen ein. Auch Migrant*innenorganisationen arbeiten in sehr unterschiedlichen Bereichen wie Bildung, Beratung und Begleitung von Geflüchteten, Gesundheit u.v.m. und haben ein großes Interesse, mit den neuen gewählten Vertreter*innen des Landesbeirates gut zusammen zu arbeiten. Für diese Kooperation muss überlegt werden, welche Formate in Betracht kommen, wie Wissenstransfer gewährleistet wird und wie Entscheidungen, Beschlüsse aus dem Landesbeirat sichtbar gemacht werden.

Herausforderungen in der nächsten Wahlperiode

Maimouna Ouattara, Eine Welt Promotorin zur Förderung des entwicklungspolitischen Engagements in migrantischen Selbstorganisationen. ©moveGLOBAL e.V.

Gesellschaftliche Fragen und Probleme, die die Berliner Politik in den nächsten Jahren stark betreffen, sind also zentral. Gleichzeitig wirken Diskussionen, die auf bundes-und europapolitischer Ebene stattfinden, in die Arbeit des Landesbeirats hinein und werden aufgegriffen. Diese Themen zeichnen sich dabei ab:

+Monitoring und Evaluation des Gesetzes zur Partizipation in der Migrationsgesellschaft auch in Hinblick auf diversitätsorientierte Personalentwicklung in sämtlichen Verwaltungen und den landeseigenen Betrieben
+politische Diskurse und Narrative rund um Geflüchtete und das Thema Flucht
+Staatsangehörigkeitsgesetz und Wahlrecht für Menschen mit Migrationsgeschichte
+Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
+Wohnen, Umwelt und Klima, Mobilität, Verbraucher*innenschutz, Wirtschaft und Energie
+entwicklungspolitische Leitlinien des Landes Berlin, kommunale Entwicklungspolitik, entwicklungspolitische Bildungsarbeit, SDGs u.a.m.

Die Arbeit im Landesbeirat ist eine wichtige Aufgabe, die jedoch auf ehrenamtliches Engagement beruht. Das bedeutet, dass die zeitlichen Ressourcen der Mitglieder begrenzt sind und sie nicht alle Ansprüche und Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllen können. Als entwicklungspolitisch engagierter Verein ist es moveGLOBAL ein großes Anliegen, dass die Entwicklungspolitik in Berlin in den Fokus gerückt wird. Insofern erhoffen wir uns von dem neue konstituierten Landesbeirat, dass er entsprechende Stellungsnahmen vorantreibt und dafür eng mit Migrant*innenorganisationen und migrantisch-diasporischen Organisationen zusammenarbeitet, die dafür Expertisen haben und anbieten können.

Text von Maimouna Ouattara. Sie arbeitet bei moveGLOBAL e.V..