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Wie sich wirtschaftliche Machtkonzentration auswirkt

Wir leben in einem Zeitalter großer Unternehmenskonzentrationen, in dem zahlreiche Märkte von einigen Konzernen kontrolliert werden. Ihre wachsende Marktmacht hat Folgen: Sie verstärkt die Schere zwischen Arm und Reich, schadet der Demokratie und verlangsamt den notwendigen sozial-ökologischen Wandel. Tina Haupt, Eine Welt-Promotorin für faires und zukunftsfähiges Wirtschaften bei Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED e.V.) erläutert das Problem aus entwicklungspolitischer Perspektive.

©Lukas Beck_CC BY-SA 4.0_ via Wikimedia Commons

Monopolmacht: Tendenz steigend

In den letzten 40 Jahren nahm die Konzentration von Unternehmen weltweit zu. Das liegt u.a. daran, dass in den USA und Europa die Wettbewerbshüter viele Fusionen und Unternehmenskäufe genehmigten. Auf EU-Ebene wurden seit 1990 von 8.083 Unternehmenszusammenschlüssen gerade einmal 30 kartellrechtlich unterbunden. Der Grund für diese geringe Ablehnungsrate liegt nicht zuletzt an einer unkritischen Bewertungsgrundlage der Wettbewerbspolitik. Konzerne werden im deutschen Kartellrecht erst als marktbeherrschend angesehen, wenn sie einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent haben.

Wenige, meist große Unternehmen dominieren so immer größere Teile der Wirtschaft und unseres Alltags. Wenn wir ein Smartphone nutzen, haben wir die Wahl zwischen zwei Betriebssystemen (von Nischenprodukten abgesehen): iOS von Apple und Android von Google. Bei Lebensmitteln teilen sich vor allem Aldi, Edeka, Lidl und Rewe den Markt. Auch wenn sie sich im Preiskampf befinden, haben sie große Macht, die sie gegenüber den Zulieferern nutzen. Die Konsequenzen sind weit verbreitete, unfaire Handelspraktiken und niedrige Einkommen in der Landwirtschaft. Einer Studie von Oxfam zufolge konnten die Supermärkte ihren Anteil an den Verbraucherpreisen im Zeitraum von 1996 bis 2015 von 43,5% auf 48,3% steigern. Der Anteil der Kleinbäuer*innen und Arbeitenden in der Landwirtschaft sank von 8,8% auf 6,5%. Sie leiden unter stark konzentrierten und vermachteten Lieferketten. Das fängt bei den Großhändlern an, geht über verarbeitende Betriebe bis hin zum Einzelhandel.

Tech und Agrar sind aber nicht die einzigen Sektoren mit hoher Konzentration. Von Ölkonzernen und Raffinerien, über Halbleiter, im Finanzsektor, bei wichtigen Medikamenten oder Rohstoffen – in fast allen Sektoren beherrschen wenige Unternehmen den Markt.

Ökonomische Macht in den Händen Weniger

Machtkonzentration hat nicht nur negative Auswirkungen in Ländern des Globalen Südens, wie am Beispiel der Agrar-Lieferketten beschrieben, sondern ist auch ein wachsendes Problem im Globalen Norden. Lange Zeit galten große Konzerne hier als Garant für eine effiziente Bereitstellung von Produkten. Doch mittlerweile sind die negativen Auswirkungen der Unternehmenskonzentration unübersehbar.

Vor allem kann ihr Verhalten sich negativ auf die Transformation auswirken, etwa verhindern, dass sich klimafreundliche Innovationen oder alternative Wirtschaftsmodelle etablieren. Unternehmen mit Monopolstellung können großen Einfluss auf zentrale politische Entscheidungen nehmen. Mit ihrer Lobbyarbeit verfolgen sie das Ziel, dass ihre Geschäftsmodelle weiterhin lukrativ bleiben.

Fallbeispiel Edge East Side: Machtgefälle zwischen Politik und Konzernen in der Stadtplanung

© A.Savin_FAL_viaWikimedia Commons

In Berlin verdeutlicht der Bau des „Edge East Sides“, auch Amazon-Tower genannt, wie Konzerne ihre Macht nutzen, um sich über Kommunalpolitiker*innen und Bürger*innen hinwegzusetzen.

Vorgesehen war, dass mit dem Edge East Side neue Büroflächen für Berliner Unternehmen geschaffen werden. Stattdessen mietet nun der Konzern Amazon fast den gesamten Turm und plant den Einzug von rund 4.000 Mitarbeitenden, vorwiegend Programmierer*innen. Die Anwohner*innen des Bezirks fürchten, dass durch diese Angestellten die Mieten weiter steigen und sich das Stadtbild drastisch verändert.

Auch hielt sich der niederländische Immobilienentwickler Edge Technologies in Hinblick auf die architektonische Umsetzung nicht an die Vereinbarungen, die mit dem Berliner Senat und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg getroffen worden waren. Doch der Politik blieben die Hände gebunden: die Aufforderungen, zu dem ursprünglichen Entwurf zurückzukehren, liefen ins Leere genauso wie eine Initiative des Baustadtrats für einen Projektneustart. Aus rechtlichen Gründen war es nicht möglich, dem Konzern nachträglich das Baurecht zu entziehen.

Die Situation verdeutlicht die Machtverhältnisse zwischen Politik und Konzernmacht und zeigt, wie Konzerne demokratische Prozesse untergraben. Die Interessen der Bürger*innen und der Stadt werden dabei nicht berücksichtigt.

© Adamajreynolds_CC BY-SA 4.0_via Wikimedia Commons

Ein weiteres Beispiel der Konzernpolitik macht deren sozialpolitische Folgen deutlich. Im kanadischen Seattle bewirkte die Ansiedlung des Amazon-Headquarters tatsächlich das, was in Berlin befürchtet wird: Mietpreise explodierten und in der Folge konnten sich viele Familien keine Wohnung mehr leisten. Die Stadt hatte daraufhin im Jahr 2018 beschlossen, eine Steuer zur Bekämpfung der steigenden Obdachlosigkeit einzuführen. Doch nach Kritik durch große Firmen wie Amazon und Starbucks wurden die Pläne sofort wieder eingestampft. Amazon hatte der Stadt angedroht, im Falle dieser Steuerbelastung den Ausbau seiner dortigen Zentrale zu stoppen. Erst im zweiten Anlauf konnte die Kommune 2020 die geplante Steuer einführen.
Der Konzern, eines der reichsten Unternehmen der Welt, erhielt sogar Steuersubventionen für seine Ansiedlung.

Starkes Kartellrecht und mehr zivilgesellschaftlicher Druck

Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor kurzem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) reformiert. Erklärtes Ziel ist es, den Staat strukturell gegenüber großen Konzernen und ihrer Macht zu stärken und den Verbraucherschutz zu verbessern. Das Kartellamt kann nun als Ultima Ratio eine missbrauchsunabhängige Entflechtung von Unternehmen anordnen. Bereits genehmigte Fusionen sollen allerdings für zehn Jahre von Entflechtungsmaßnahmen ausgenommen werden. Gerade in Zeiten dynamischer technologischer und wirtschaftlicher Entwicklungen ist diese Frist zu lang. Dennoch war die Reform ein wichtiger Schritt, mit der sich die Politik ihren Handlungsspielraum gegenüber Monopolen zurückzuerobern kann, wenn sie das Gesetz konsequent anwendet.

Das Thema Monopolmacht braucht mehr Aufmerksamkeit. Es muss ein Kurswechsel stattfinden, hin zu einer gerechten und demokratisch gestaltbaren Wirtschaft, in der grundlegende Infrastruktur in Gemeinwohl-Hand verbleibt bzw. zurückgeholt wird. Kontrollieren nur wenige Konzerne die Märkte, führt dies zu einseitigen ökonomischen Vorteilen und der Benachteiligung anderer und trägt dazu bei, dass die Demokratie ausgehöhlt wird. In Deutschland und Europa gibt es erste Schritte zu einer breiteren zivilgesellschaftlichen Bewegung gegen Monopolmacht, zum Beispiel mit dem Bündnis Konzernmacht beschränken oder dem Balanced Economy Project