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Zusammenhalten und standhaft bleiben: Migration in Mexiko in Zeiten von Trump

aus BER-Newsletter 2, 2/2025

Ein Interview von Silvana Almarez Reyes von der BER-Mitgliedsgruppe México vía Berlín mit Gabriela Hernández Chalte von der mexikanischen NGO Casa Tochán und mit Guadalupe Beltrán und Valeria Peña von der NGO Proyecto Taika.

Silvana Almarez Reyes koordiniert innerhalb des Städtepartnerschaftsmodellprojekts mit Mexiko-City, Jakarta und Windhoek das Tandem Berlin-Mexico-City und arbeitet dort mit der NGO Casa Tochán zusammen. Das Interview wurde am 10. Februar online geführt.

Am 20. Januar 2025 trat Donald Trump zum zweiten Mal sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten an. Seine Politik richtete sich besonders gegen Migrant*innen – sowohl die, die bereits in den USA leben, als auch jene, die sich auf dem Weg dorthin befinden. In Mexiko ist Migration seit Jahrzehnten ein zentrales Thema, da das Land sowohl Herkunfts-, Transit- als auch Zielland ist. Die Beziehung zu den USA beeinflusst maßgeblich, wie der mexikanische Staat mit dieser Situation umgeht.

Angesichts dieser Herausforderungen übernehmen zivilgesellschaftliche Organisationen die Unterstützung von Migrant*innen – oft trotz begrenzter Ressourcen. Zwei dieser Organisationen mit Sitz in Mexiko-Stadt berichten über ihre Arbeit, Netzwerke und Zukunftsperspektiven. Wir haben mit Gabriela Hernández Chalte vonCasa Tochán und mit Guadalupe Beltrán und Valeria Peña von Proyecto Taika gesprochen.

Können Sie kurz Ihre alltägliche Arbeit als Organisationen beschreiben, die sich für Migrant*innen und Menschen in Bewegung einsetzen?

Casa Tochán

Casa Tochán setzt sich für den Schutz und die Unterstützung von Migrant*innen und Asylsuchenden in Mexiko ein. Unser Ziel ist es, ihnen umfassende Hilfe zu bieten und eine gerechtere Zukunft zu fördern. Wir schaffen einen sicheren Ort für Menschen, die in Unsicherheit leben, und organisieren Freizeit-, Bildungs- und Gesundheitsaktivitäten in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Dazu gehören unter anderem kreative Workshops, philosophische Gesprächsrunden und psychologische Unterstützung. Wir bieten auch juristische Beratung sowie psychologische Betreuung, insbesondere für Menschen, die unter Depressionen leiden. Auch ein Allgemeinmediziner steht zur Verfügung, um grundlegende Gesundheitsbedürfnisse zu decken.

Proyecto Taika

Seit 2018 begleitet Proyecto Taika FLINTA*-Personen, Kinder und Jugendliche durch Bildungsprojekte, Kunst, Fotografie, Literatur und gemeinschaftliche Gärten. Unser Ansatz basiert auf Fürsorge, Respekt und einer intersektionalen Perspektive, um sichere Räume für Ausdruck und Reflexion zu schaffen. Aktuell stärken wir unsere Arbeit, um neue Narrative rund um Migration zu entwickeln – weg von Opferrollen und Hassdiskursen, hin zu Hoffnung, sozialer Gerechtigkeit und solidarischem Miteinander. Unser Ziel ist es, eine diverse, freie und unterstützende Gemeinschaft aufzubauen.

Wie ist die aktuelle Situation für Migrant*innen in Mexiko?

Casa Tochán

Die Situation ist äußerst schwierig. Beide Grenzen Mexikos sind stark militarisiert. Im Norden setzen die USA ihre Streitkräfte ein, um Asylsuchende am Übertritt zu hindern. Im Süden hält das mexikanische Militär Migrant*innen davon ab, überhaupt die Nordgrenze zu erreichen. Neben diesen offiziellen Kräften ist das organisierte Verbrechen in ganz Mexiko, besonders an den Grenzen, sehr aktiv. Kriminelle Gruppen blockieren ebenfalls den Weg, üben Gewalt aus, entführen und erpressen Migrant*innen und verschärfen ihre ohnehin schon prekäre Lage.

Proyecto Taika

Migration hat es schon immer gegeben, doch in Mexiko ist sie heute sichtbarer denn je. Aufgrund der Asyl- und Migrationspolitik Mexikos und der USA bleiben viele Menschen länger im Land oder entscheiden sich sogar, dauerhaft hier zu bleiben. Das führt zu einer stärkeren Integration in Arbeitsplätze, Bildungseinrichtungen und öffentliche Räume. Allerdings geschieht es oft unter unsicheren Bedingungen: Aufgrund mangelnder staatlicher Unterstützung und überfüllter Unterkünfte leben viele Migrant*innen in provisorischen Lagern, die ihre Sicherheit und Würde gefährden.

Haben Sie seit der Ankunft von Trump neue Praktiken der Resilienz und Solidarität entwickelt? Wie hat sich die Zivilgesellschaft organisiert?

Casa Tochán

Einer der größten Einschnitte für Migrant*innen und Asylsuchende war die Abschaltung der CBP ONE-App (App, um Asylanträge einzureichen) – direkt am Tag von Trumps Amtsantritt. Bei Casa Tochán reagieren wir darauf mit offenen Gesprächen und ermutigen Migrant*innen, Ruhe zu bewahren und ihre nächsten Schritte gut zu überdenken. Um sie mit verlässlichen Informationen zu versorgen, veröffentlichen wir alle zwei Wochen einen Informationsbrief.

Unsere Arbeit erfolgt auf mehreren Ebenen: Individuell begleiten wir Menschen, die Asyl beantragen möchten, durch rechtliche Beratung. Außerdem unterstützen wir diejenigen, die gezwungen sind, in frühere Aufenthaltsorte zurückzukehren, mit praktischen Informationen und Kontakten. Zudem bieten wir psychologische Betreuung an, um mit der steigenden Angst und Unsicherheit umzugehen. Nach Trumps Amtsantritt haben wir eine offizielle Pressemitteilung veröffentlicht.

Kollektiv arbeiten wir mit Unterkünften in Mexiko-Stadt sowie Netzwerken wie REDODEM[1] und DEHPM[2] zusammen, um gemeinsam Strategien zu entwickeln. Besonders wichtig ist es derzeit, Organisationen zu stärken, die durch die Kürzungen internationaler Hilfsgelder stark betroffen sind.

Proyecto Taika

Angesichts der Regierungswechsel in Mexiko und den USA stehen Migrant*innen unter wachsendem Druck. Die Unsicherheit über ihre Zukunft führt zu verstärkter Anspannung, Stress und Sorge – sei es, weil sie ihre Reise fortsetzen, in Mexiko bleiben oder in ihre Herkunftsländer zurückkehren müssen.

Deshalb haben wir unsere Begleitung neu strukturiert, um die psychische und emotionale Unterstützung zu verstärken. Wir setzen auf kollektiven Zusammenhalt, aktive und empathische Zuhörprozesse, die Bereitstellung verlässlicher Informationen für ihre Wege und den Aufbau solidarischer Räume. Unser Ziel ist es, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind – verschiedene Menschen und Gruppen stehen an ihrer Seite, um ihre Rechte weiterhin zu schützen.

Wie funktionieren die internationalen Unterstützungsnetzwerke, über die Sie derzeit verfügen? Welcher Bedarf besteht? Welche solidarischen Netzwerke könnten im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Berlin aufgebaut bzw. gestärkt werden?

Casa Tochán

Eine unserer wichtigsten internationalen Unterstützerinnen war die IOM (Internationale Organisation für Migration), doch aufgrund von Trumps Kürzungen mussten ihre Hilfsprogramme eingestellt werden. Wir arbeiten weiterhin mit dem UNHCR zusammen und haben starke nationale Netzwerke wie REDODEM, die uns mit juristischer und sozialer Unterstützung helfen. Dieses Jahr ist diese Hilfe gesichert, doch unser Handlungsspielraum ist durch neue Restriktionen stark eingeschränkt – uns ist es beispielsweise strikt untersagt, Menschen, die in die USA weiterreisen wollen, auch nur beratend zu unterstützen.

Das ursprünglich mit dem Verein México via Berlín geplante Projekt ist nun besonders wertvoll, da es Migration mit anderen Menschenrechtskämpfen verknüpft. Zudem stehen wir vor der Herausforderung, unser Team und unsere Freiwilligen weiterzubilden und zu stärken. Diese Situation sehen wir auch als Chance, um neue Finanzierungsmöglichkeiten für unsere Arbeit zu erschließen.

Proyecto Taika

Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen erzeugen nicht nur Unsicherheit für Migrant*innen, sondern auch für Organisationen, die sich für ihre Rechte einsetzen. Deshalb ist es wichtiger denn je, unsere Netzwerke zu stärken, gemeinsam zu handeln und uns klar gegen Ungerechtigkeiten zu positionieren. Wir wollen den Staat weiter unter Druck setzen, Lösungen zu finden, und uns gegenseitig unterstützen, um den Angriffen auf die Menschenrechte entgegenzuwirken.

Wie wird Migration von der lokalen Bevölkerung wahrgenommen? Welche Themen stehen im Mittelpunkt?

Casa Tochán

Ein positiver Aspekt ist, dass das Thema Migration heute mehr Aufmerksamkeit bekommt. Wir erhalten Unterstützung, Menschen fragen, wie sie helfen können, und private Spender*innen bieten an, mehr zu geben. Generell sind viele empört über Trumps beleidigenden Aussagen über Migrant*innen. Trotz aller Herausforderungen werden wir weiter für ihre Rechte kämpfen.

Proyecto Taika

Es ist wichtig, weiterhin Informationen mit der lokalen Bevölkerung zu teilen, besonders mit denen, die wenig über Migration wissen. So können wir Reflexion und kritisches Denken fördern, Ängste und Zweifel ernst nehmen und diskriminierende Narrative hinterfragen. Unser Ziel ist es, Inklusion und respektvolle Gemeinschaften zu stärken und daran zu erinnern:

Egal woher du kommst oder wohin du gehst – Migration ist ein Recht.


[1] https://redodem.org/

[2] https://depmh.org/