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Zuwendung und Abneigung – durch Reform des Berliner Zuwendungsrechts soll Förderung von NGOs erleichtert werden

BER-Interview mit Ingrid Rosenburg, administrative Geschäftsführerin der Stiftung Nord-Süd-Brücken

aus BER-Newsletter 5, 5/2025

Das Zuwendungsrecht regelt, unter welchen Bedingungen und mit welchen Regeln der Staat gemeinnützige Vereine fördert – eine ziemlich spröde Sache, wenn man sich das Ergebnis anschaut: Dies ist in den ANBest-P, den Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung, zusammengefasst. Das Land gewährt jährlich Zuwendungen mit einem Volumen von mehr als 2 Milliarden Euro für Projekte von der Kältehilfe über den Sportverein bis zur entwicklungspolitischen NGO. Das Antrags- und Bearbeitungsverfahren für die Zuwendungen ist langwierig und zeitraubend. Daher wird das Berliner Zuwendungsrecht reformiert.

Dafür hat das Land Berlin das Projekt zur „Vereinfachung, Optimierung und Digitalisierung von Zuwendungen im Land Berlin“ gestartet, in dem 26 Vorschläge erarbeitet wurden. Ingrid Rosenburg, administrative Geschäftsführung der Stiftung Nord-Süd-Brücken, hat den Prozess als Mitglied einer Beratergruppe („Sounding Board“) aus der Perspektive von entwicklungspolitischen NGOs begleitet. Ihre Expertise generiert die Stiftung Nord-Süd-Brücken aus der Verwaltung von mehreren staatlichen Fördertöpfen für ostdeutsche Bundesländer. In Berlin verwaltet sie Zuwendungen an entwicklungspolitische NGOs im Auftrag der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit (LEZ).

Der BER hat Ingrid zu ihren Erfahrungen mit dem Reformprozess und den bisherigen Ergebnissen befragt.

BER: Bevor wir auf einzelne Details der Reformvorschläge eingehen: Wie bewertest du den Reformprozess insgesamt aus Sicht der Zivilgesellschaft?

Ingrid Rosenburg: Der Prozess war aus meiner Sicht ziemlich transparent gestaltet. Die Zentralstelle für Zuwendungsfragen (ZAZ) hat online-Beteiligungen und Treffen organisiert, bei denen viele NGO-Vertreter*innen eigene Vorschläge einbringen konnten. Auch wir als Stiftung haben über den LEZ-Förderbereich Verbesserungsvorschläge eingereicht, etwa zur 20%-Regel oder zur Vergabepraxis.
Diese Vorschläge wurden strukturiert ausgewertet, in Änderungsvorschläge für die Ausführungsvorschriften (AV) der Landeshaushaltsordnung (LHO) und die ANBest-P überführt. In einem „Sounding Board“ wurden diese dann gemeinsam mit Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Kunst, Kultur, Wissenschaft und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband diskutiert. Im Sounding Board war tatsächlich ein breites Spektrum der Zivilgesellschaft vertreten – von Kunst und Kultur über den sozialen Bereich, die LEZ und die Wissenschaft bis hin zum Paritätischen Wohlfahrtsverband als zentralem Verband, der zahlreiche Träger vertritt.

Weniger transparent war allerdings die Arbeit der sogenannten Kerngruppe bzw. Entscheidungsinstanz. Dort wurde letztlich entschieden, welche Vorschläge in die Senatsvorlage übernommen werden.

BER: Ist das, was Berlin hier versucht, ein Vorbild für andere Bundesländer oder den Bund? Und wie schneidet Berlin beim Thema NGO-Förderung im Vergleich ab?

Ingrid Rosenburg: Vergleichbare Prozesse in anderen Bundesländern sind mir nicht bekannt Zwar haben einige Länder ihre ANBest-P vereinfacht, von einer umfassenden zivilgesellschaftlichen Beteiligung wie in Berlin weiß ich aber nichts. Insofern: Ja, den Berliner Prozess halte ich für vorbildlich, vor allem die Beteiligung von Betroffenen.

Allerdings hat Berlin aus meiner Sicht die Chance verpasst, das Zuwendungsrecht wirklich grundlegend zu vereinfachen. Vorschläge wie eine Verlängerung der Verausgabungsfristen auf sechs Monate (wie in Sachsen) oder die Aufhebung der 20%-Regel (stattdessen nur eine Anhebung auf 30%) wurden nicht umgesetzt. Warum die Entscheidungsinstanz bestimmte Vereinfachungen ablehnte, bleibt unklar.

Die Förderpraxis in Berlin ist sehr uneinheitlich und daher schwer allgemein zu bewerten. Wenn eines in dem Beratungsgremium klar geworden ist, dann vor allem, dass die Vorgehensweisen der Zuwendungsstellen sich enorm unterscheiden. Manche Zuwendungsstellen verlangen kleinteilige Nachweise für Mittelabrufe, andere arbeiten flexibler. In manchen Fällen sorgen die zusätzlichen Nebenbestimmungen (BNBest-P) für ziemlich großen Aufwand.

Für entwicklungspolitische NGOs, die von der LEZ gefördert werden, ist die Situation vergleichsweise gut, obwohl es natürlich auch Beschwerden über die bürokratische Praxis gibt. Bestimmte Vorgaben müssen wir einhalten, solange die haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht geändert werden. Trotz aller Herausforderungen ist Berlin im Vergleich zu anderen Regionen Ostdeutschlands eine Art „Förderparadies“ – gerade auch im Bereich Integration und Kultur, obwohl das Geld trotzdem knapp ist. Ob das so bleibt, wird sich zeigen und sicherlich starke Lobbyarbeit erfordern.

BER: Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Forderungen der entwicklungspolitischen NGOs? Wo liegen aktuell die größten Hürden bei Antragstellung und Mittelverwendung?

Ingrid Rosenburg: Tatsächlich ist das größte Problem aktuell nicht das Zuwendungsrecht, sondern die drohende Kürzung von Fördermitteln. Es braucht ein starkes Eintreten für den Wert und Schutz der Zivilgesellschaft – gerade gegenüber Angriffen von rechten Kräften.

Im Bereich der Verwaltung ist weniger das Zuwendungsecht das Problem als vielmehr die Praxis: Zwar wird häufig beklagt, dass jährlich neue Anträge gestellt werden müssen. Aber an sich erlaubt das Zuwendungsrecht auch mehrjährige Förderungen – vorausgesetzt, es stehen ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung und der politische Wille ist vorhanden. Hier zu diskutieren, welche Mittel gibt Berlin für welche Zwecke aus, wäre vielleicht zielführender.

Eine langfristige Förderung ist jedoch durch demokratische Prinzipien begrenzt: Eine Regierung soll nicht unbegrenzt Mittel für die Zukunft binden können. Daher wird es Verpflichtungsermächtigungen, also Mittel für folgende Haushaltsjahre, niemals unbegrenzt geben, weil das die Budgetrechte des Parlaments unterläuft.

Bei Pflichtaufgaben wie die Finanzierung von Frauenhäusern wäre eine dauerhaft gesicherte Förderung notwendig, wie der Paritätische Wohlfahrtsverband mehrfach gefordert hat. Genau für diese Zuwendungsempfänger gibt es die Möglichkeit der langfristigen institutionellen Förderung – dieses Instrument wird in Berlin aber nicht ausreichend genutzt.

BER: Gehen wir weiter ins Detail. NGOs müssen für Dienstleistungen oder Einkäufe (z.B. Projektwebsites oder Computer) komplizierte Vergabeverfahren durchführen. Nach der Reform werden diese Verfahren erst ab 5.000 Euro nötig. Außerdem können Projekte unter 10.000 Euro die Mittel auf einen Schlag abrufen. Gerade für kleine NGOs ist das eine Erleichterung. Wie bewertest Du diese Änderungen?

Ingrid Rosenburg: Bei der Frage geht’s um zwei Themen: Vergabe und Mittelabruf.

Beim Vergaberecht wurde die Grenze nach meinem Verständnis für umfassende Verfahren auf 100.000 Euro angehoben. Damit dürften fast alle bei der LEZ geförderten Träger aus dem Vergaberecht raus sein. Ab 5.000 Euro müssen weiterhin drei Angebote eingeholt und ein Vergabevermerk erstellt werden – aber das ist deutlich einfacher als ein vollumfängliches Vergabeverfahren mit Wettbewerbscharakter. Für die meisten NGOs, die über die LEZ gefördert werden, wird das eine spürbare Entlastung sein. Den Vorschlag halte ich für ziemlich ausgewogen.

Beim Mittelabruf gibt es nun bei Kleinprojekten unter 10.000 € keine strenge Frist mehr für die Verausgabung. Das ist sinnvoll, aber die vielen unterschiedlichen Regelungen (Berlin: 3 Monate, Brandenburg: 8 Wochen, Bund: 6 Wochen, Sachsen: 6 Monate) machen die Verwaltung komplexer. Einheitliche Regeln bundesweit wären eine große Erleichterung für alle Beteiligten.

BER: Bis jetzt müssen NGOs jedes Jahr einen neuen Antrag stellen – auch wenn sich Projekte wiederholen oder daraus dauerhafte Strukturen entstehen. Einige entwicklungspolitische NGOs sind auch hiervon betroffen. Dabei wäre es sinnvoll, solche Träger institutionell zu fördern, um ihre Arbeit langfristig abzusichern. Stattdessen soll nun eine neue Förderform eingeführt werden: die „Projektförderung mit wiederkehrendem Bedarf“. Für mehrjährige Projekte wären dann keine jährlichen Neuanträge mehr nötig. Das klingt erstmal positiv, aber wie findest du diesen Ansatz? Und welche Berliner entwicklungspolitischen Träger könnten davon profitieren?

Ingrid Rosenburg: Ich sehe die neue „Projektförderung mit wiederkehrendem Bedarf“ eher kritisch. Eigentlich war die Forderung, die bestehende Beschränkung auf maximal fünf Jahre Projektlaufzeit in den Ausführungsvorschriften zu streichen. Stattdessen wurde jetzt diese neue, komplizierte Projektart eingeführt, die es so bisher nirgendwo in Deutschland gibt. Ob sie wirklich eine Erleichterung bringt, bezweifle ich. Es besteht die Gefahr, dass diese Regelung künftig genutzt werden könnte, um unliebsame zivilgesellschaftliche Gruppen durch formale Argumente von der Förderung auszuschließen. Alle müssten zusätzliche Evaluierungen durchführen – die Finanzierung dafür ist unklar – was die Bürokratie eher erhöht als senkt.

BER: Abgesehen von der Vergabeerleichterung und der mehrjährigen Förderung: Welche weiteren Reformvorschläge sind aus deiner Sicht für Berliner entwicklungspolitische NGOs besonders wichtig?

Ingrid Rosenburg: Einige Reformvorschläge betreffen das NRO-Förderprogramm nicht, weil hier über die Förderrichtlinie schon früher weitergehende Reglungen getroffen wurden, z.B. die Anerkennung von 10% Verwaltungskosten und die Anwendung der Honorarstaffel des Förderprogramms Entwicklungspolitische Bildung (Bundesmittel).

Besonders relevant ist die geplante Änderung beim Punkt 2 der ANBest-P, der die nachträglichen Änderungen der Finanzierung betrifft. Bisher mussten alle zusätzlichen Einnahmen angezeigt und bewilligt werden, sonst drohten Kürzungen. Künftig sollen zusätzliche Mittel automatisch anerkannt werden, wenn sie mit zusätzlichen Ausgaben verbunden sind. Das wäre eine echte Erleichterung für NGOs und die Verwaltung, da aufwendige Nachverhandlungen bei kleinen Änderungen in der Finanzierung entfallen.

BER: Die meisten entwicklungspolitischen Projekte werden nicht nur mit Landesmitteln, sondern auch mit Drittmitteln wie dem Förderprogramm Entwicklungspolitische Bildung (FEB) des BMZ über Engagement Global finanziert. Was bringt es überhaupt, wenn Berlin die Regeln vereinfacht, aber das Zuwendungsrecht auf Bundesebene kompliziert bleibt? Müssen sich die NGOs nicht trotzdem an die Bundesregeln halten?

Ingrid Rosenburg: Eigentlich hat das Zuwendungsrecht hierfür eine einfache Lösung. Es sieht nämlich vor, dass sich öffentliche Geldgeber auf gemeinsame Regeln einigen – die Vorgaben des größten Geldgebers gelten dann. In der Praxis klappt das aber oft nicht. Engagement Global beispielsweise argumentiert, dass sie als privat organisierte gGmbH nicht mehr an diese Regel gebunden sind. Deshalb gelten weiterhin unterschiedliche Vorgaben: für Berlin das Landesrecht, für Engagement Global das Bundesrecht. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass weniger das Zuwendungsrecht selbst das Problem ist, sondern vielmehr dessen Anwendung – sei es durch Akteure, die es unterschiedlich auslegen, oder durch Konstruktionen wie die Privatisierung, für die es auch zuwendungsrechtlich bessere Lösungen gegeben hätte. Die NGOs müssen sich dann an das strengere Bundesrecht halten, können aber auf die Berliner Regelungen verweisen. Ob das in Prüfungen immer anerkannt wird, ist ungewiss.

Die LEZ plant, das Thema künftig nochmals mit dem BMZ auf Bundesebene anzugehen – wie im Promotor*innenprogramm bereits gelungen. Da gelten nun die Bundesregelungen.

Was den Reformprozess angeht: Bisher gibt es nur Absichtserklärungen und grobe Beschreibungen – konkret wird es erst mit der Veröffentlichung der neuen Regelungen 2025 und ihrer Anwendung ab 2026. Auch ich bin da gespannt.