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WAS HEISST EIGENTLICH
„FAIRES WIRTSCHAFTEN“?

PROFIT WIRD
ÜBERBEWERTET

GEMEINWOHL STATT GEWINNMAXIMIERUNG FÜR EINZELNE

NACHHALTIG UND LANGFRISTIG STATT BILLIG UND KURZSICHTIG.

GERECHTE ARBEITSBEDINGUNGEN UND HANDEL AUF AUGENHÖHE

Kapitalistische Wirtschaftssysteme sind auf Wachstum ausgelegt. Doch wer profitiert eigentlich von diesem Wachstum? Für gewöhnlich sind es die großen Unternehmen, die auf Kosten aller anderen ihre eigenen Gewinne maximieren. Ein solches Wirtschaften zerstört nicht nur unsere Lebensgrundlagen, weil natürliche Ressourcen ausgebeutet werden. Oft werden während der Produktion und bei der Beschaffung der benötigten Ressourcen auch grundlegende Menschenrechte und Mindeststandards missachtet – Kinderarbeit, Hungerlöhne und wirtschaftliche Ausbeutung, also moderne Sklaverei, werden billigend in Kauf genommen.

Menschenrechte sind die Grundlage unseres Zusammenlebens und im Grundgesetz verankert. Und sie sind Grundlage des fairen Wirtschaftens. Denn beim fairen Wirtschaften geht es nicht um Gewinne für Einzelne. Stattdessen meint dies eine Wirtschaftsform, die sich am Gemeinwohl orientiert, von der also alle etwas haben. Faires Wirtschaften ist eine Wirtschaftsform, bei der die Grenzen des Wachstums berücksichtigt werden und nicht um jeden Preis in Masse produziert, ungehemmt konsumiert und wieder weggeworfen wird.

In dieser Wirtschaftsform haben auch alternative Wirtschaftsmodelle ihren Platz – die Tauschläden, Repaircafés, Stadtgärten, solidarischen Landwirtschaftsinitiativen und Transition Towns, die in vielen kleinen Nischen an praktischen Alternativen zum Wachstumsmodell experimentieren.

Beispiel Kleidung

Dass Billigklamotten ein großes Problem sind, wissen eigentlich alle – aber hat sich seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei dem mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen, irgendetwas geändert? Kaum. Der in Berlin ansässige Onlinetextilhändler Zalando lässt für seine Eigenmarke Pier One immer noch in China, der Türkei, Indien und Bangladesch produzieren, ohne seine Lieferketten offenzulegen. Es gibt auch kein Gesetz, was eine Offenlegung vorschreibt.

Warum das ein Problem ist? Deshalb:

Stundenlohn einer Näherin in Bangladesch:

Einkaufspreis eines T-Shirts aus einer Näherei in Bangladesch:

Darin enthalten sind die 95 Cent Materialwert für den Stoff und die anteiligen Lohnkosten für die Näherin

Verkaufspreis für ein Pier-One-T-Shirt:

Beispiel Lebensmittel

Es wird zu viel produziert, und es wird zu schlecht produziert. Massentierhaltung, Überdüngung und der hohe CO-Ausstoß für die langen Transportwege sind nur ein winzig kleiner Teil der Probleme, die die industrielle Landwirtschaft verursacht. In Berlin aber stammen nur 15 Prozent der Bio-Lebensmittel und nur 8 Prozent der konventionell hergestellten Lebensmittel aus der unmittelbaren Umgebung, also aus Berlin und Brandenburg – auch, weil Megakonzerne wie die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), Aldi, Edeka und Rewe den Markt bestimmen. Und weil es keine gesetzlichen Vorgaben für den Anteil an regionalen oder fairen Produkten am Gesamtsortiment gibt.

Für die Lebensmittel, aus denen in Berlin die Schulmittagessen gekocht werden, müssen zum Beispiel nur 15 Prozent Bio-Qualität haben. Kleine regionale Hersteller, die nicht auf Massenware produzieren oder Hersteller, die auf faire Arbeitsbedingungen im globalen Süden achten, haben praktisch keine Chance.

Lediglich 15 Prozent der Biolebensmittel und nur 8 Prozent der konventionell hergestellten Lebensmittel, die in Berlin verkauft werden, stammen aus der Region Berlin und Brandenburg.

Alles andere muss über weite Wege hierher transportiert werden.

85 Prozent ihrer Lebensmittel kaufen Berliner*innen in Supermärkten und bei Discountern.

Nur 15 Prozent erstehen sie in kleinen Läden, bei Kooperativen oder auf Wochenmärkten.

Weniger als 5 Prozent des Kaffees in Deutschland stammen aus Fairem Handel – also nur 5 von 100 Tassen!

Beispiel Automobilbranche

Es gibt 1,2 Millionen Autos in Berlin.

Sie stehen 23 Stunden am Tag herum – und belegen Flächen, die im Sinne des Allgemeinwohls besser genutzt werden könnten. 

Für Parks beispielsweise oder für Wohnungen.

Der Autoverkehr ist für 12 Prozent des CO₂-Ausstoßes verantwortlich.

Die Autobranche rüstet um – sie setzt auf Elektromobilität. Doch die Rohstoffe für die Batterien – Lithium, Kupfer, Aluminium, Nickel, Kobalt, Mangan, Graphit und seltene Erden – werden im Globalen Süden in Minen unter miesen Arbeitsbedingungen abgebaut.

Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. In einer Elektroauto-Batterie stecken 1,5 Kilogramm seltene Erden. Beim Abbau dieser kleinen Menge entstehen 112 Liter säurehaltiges Abwasser. Würde die Berliner Polizei alle Fahrzeuge durch Elektroautos ersetzen, wäre allein dieser Fuhrpark für 280.000 Liter säurehaltiges Abwasser verantwortlich. Von den Menschenrechtsverletzungen beim Abbau ganz zu schweigen.

Beispiel Lohn

Der Arbeitslohn für eine maximal 48-Stunden-Woche muss zum Leben reichen.

• Um sich selbst und die Familie zu ernähren

• Die Miete zu zahlen

• Um für Gesundheits-, Kleidungs-, Mobilitäts- und Bildungskosten aufzukommen

• Und noch ein bisschen was extra zu haben

Das ist nicht der Fall

  • In den Gewächshäusern im spanischen Almeria. 40.000 Migranten arbeiten hier illegal für einen Hungerlohn. Sie leben in Hütten aus Pappe und Planen.
  • Bei Paketzustellern wie Hermes. Sie sind bei Subunternehmern beschäftigt, müssen bis zu 100 Pakete täglich austragen. Umgerechnet erhalten sie 2 Euro pro Stunde.
  • Oder in den Textilfabriken von H&M. Zum Beispiel in Bulgarien, wo nur neun Prozent der Angestellten den gesetzlichen Mindestlohn erhalten.

Beispiel Kommunalisierung

Berlin arbeitet auf die Rekommunalisierung seiner Versorgungsnetzwerke hin –unter anderem sollen Strom, Wasser und Gas wieder der Stadt und damit den Einwohnerinnen und Einwohnern gehören.

Doch die ehemaligen Betreiber-Konzerne wollen das nicht hinnehmen. Neuestes Beispiel ist die angekündigte Klage des Energiekonzerns Vattenfall gegen das Land Berlin – weil Berlin in einem nachweislich rechtmäßigen Verfahren das Stromnetz an den landeseigenen Betreiber Berlin Strom übergeben hat.

Beispiel Kreislaufwirtschaft

Prinzip der Kreislaufwirtschaft

  • Weniger Ressourcen verwenden
  • Produkte reparieren lassen
  • Rohstoffe recyclen

In Deutschland werden zur Zeit nur 14 Prozent der eingesetzten Rohstoffe aus Abfällen gewonnen.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2010): Anteile der Sekundärrohstoffe in Deutschland, Studie im Auftrag des BDE, Köln.
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Faires Beschaffungswesen

Berlin beschafft jedes Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von fünf Milliarden Euro. Mit dabei sind:

Herausgepickt: Das Schulessen

Es gibt 175.000 Grundschüler*innen in Berlin. Sie können seit August 2019 ein für die Eltern kostenloses Mittagessen in einem Wert von 3,25 Euro an ihren Schulen einnehmen. Das ist insgesamt ein Vergabevolumen von 568.750 Euro.

Faires Beschaffungswesen

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Herausgepickt: Das Schulessen

Es gibt 175.000 Grundschüler*innen in Berlin. Sie können seit August 2019 ein für die Eltern kostenloses Mittagessen in einem Wert von 3,25 Euro an ihren Schulen einnehmen. Das ist insgesamt ein Vergabevolumen von 568.750 Euro.

Interviews mit Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki

Audio 1: Frage | Wie wichtig sind Ihnen faire Arbeitsbedingungen?

Audio 2: Frage | Wer kann was tun, damit Wirtschaften fairer wird?

Audio 3: Frage | Was ist denn nun fair an diesen Bällen?

Interviews mit dem Eine-Welt-Promotor für kommunale Entwicklungspolitik Michael Jopp

Audio 1: Frage | Was ist denn fair an diesen Bällen?

Audio 2: Frage | Wer oder was ist schuld an diesen schlechten Bedingungen?

Audio 3: Frage | Wer kann noch etwas machen für faire Wirtschaft?

Benni, Schüler des Walther-Rathenau-Gymnasiums

Audio: Frage | Was bedeutet für dich faires Wirtschaften?

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Natursteine in Berlin

Ob Lebensmittel, Sportbälle oder Blumen – bereits seit 2010 gelten in Berlin für bestimmte Beschaffungen, die das Land und die Bezirke tätigen, dass die Normen der Internationalen Labour Organisation – kurz ILO – so weit wie möglich beachtet werden müssen. Es darf seither nur noch öffentliches Geld ausgegeben werden für Produkte, die ohne Kinder- und Zwangsarbeit hergestellt wurden und in deren Herstellungsprozess die Arbeiterinnen und Arbeiter keinen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist aber noch einen Schritt weitergegangen: Für die Neugestaltung eines zentralen Platzes in Kreuzberg wurden nicht nur die ILO-Normen erweitert, sondern bei der Beschaffung der Natursteine erstmalig auch darauf gesetzt, dass die fairen Kriterien durch Zertifikate belegt wurden.

Es gibt schon Beispiele, wie man anders wirtschaften kann. Auch in Berlin.

Transition Tours von FairBindung e.V.

Station 1 | Die Regenbogenfabrik

Die Regenbogenfabrik geht auf die Initiative von 60 Menschen zurück, die 1981 mit viel Unterstützung aus der Bevölkerung das alte Fabrikgebäude und ein angrenzendes Wohngebäude besetzten, um es vor dem Abriss zu bewahren.

Mit viel Eigeninitiative und Engagement entstanden hier in kürzester Zeit unter anderem ein Café, eine Fahrrad- und eine Holzselbsthilfewerkstatt, viele offene Kinder- und Jugendangebote und später ein Hostel und eine Kantine. Die beiden letzteren finanzieren das Projekt – allerdings wird in der Regenbogenfabrik solidarisch gewirtschaftet. Das heißt in der Regenbogenfabrik vor allem, dass der gemeinsam erwirtschaftete Gewinn verteilt und innerhalb des Projekts vergesellschaftet wird. So finanzieren Bereiche, die mehr Geld einbringen, solche, die von der Sache her kaum Gewinn abwerfen – z.B. die Kinderbetreuung oder Angebote für einkommensschwache Menschen.

Station 2 | Kompostierbare Windeln | Dycle

Rund 4.500 Windeln verbraucht ein Baby, bevor es „trocken“ ist. Jährlich fallen allein in Deutschland 500.000 Tonnen gebrauchter Windeln an – ein riesiger Berg dreckiger Windeln, die mit dem Hausmüll verbrannt werden.

Ein Berliner Startup hat ein Windel-Sammelsystem entwickelt, das aus vollständig kompostierbaren Windeleinlagen besteht, die in einer Überhose getragen werden können. Die gebrauchten Einlagen werden gesammelt und zu Humus kompostiert.

Station 3 | Quartiermeister

„Sozialbier“ nennt die Berliner Presse das Projekt von Sebastian Jacob, der vor fast zehn Jahren die Idee zu „Quartiermeister“ hatte. Im Kern geht es darum, beim Biertrinken etwas Soziales zu tun. Das Ziel: Eine gerechte Wirtschaft, die für den Menschen da ist – ein Social Business sollte es sein.

Dazu suchte sich Jacob Brauereien, die bereit waren, seine Idee mitzutragen. Inzwischen wird Quartiermeister neben Berlin, Leipzig, Dresden und München auch in einigen kleineren Städten in Ostdeutschland vertrieben. Und immer noch gehen von jedem Liter zehn Cent in einen Fördertopf, aus dem soziale Projekte finanziert werden. Quartiermeister arbeitet unabhängig und transparent, jede*r kann online einsehen, was erwirtschaftet und was wofür ausgegeben wurde.

Auch die Entscheidungen darüber, welche Projekte gefördert werden, findet gemeinschaftlich statt – in Berlin zum Beispiel über Onlineabstimmungen.

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