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Klima und Ernährung – Erfahrungen mit zwei neuen Bildungsformaten

Lernen funktioniert für verschiedene Menschen auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen. Mit der Hörspielreihe Grummpf und der Ausstellung Klima-Snacks haben BER-Mitglied KATE e.V. gleich zwei neue Bildungsformate für verschiedene Zielgruppen erprobt. Beide gehören zum KATE-Projektbereich Das Klimafrühstück, mit dem der Verein seit ca. zwei Jahrzehnten globale Zusammenhänge im Kontext von Klimakrise und Ernährung vermittelt.
Das Hörspiel Grummpf, dessen zweite Staffel im November 2023 erschien, ist sehr erfolgreich und wird weiter ausgebaut. Die Wanderausstellung Klima-Snacks ist gerade gestartet und bietet Hintergrundinformationen in fünf Sprachen zum Themenkomplex Klima und Ernährung. Sie wurde erstmalig beim BER-Netzwerk-Treffen Mitte Dezember 2023 vorgestellt. Tobias Bach und Rui Montez teilen in diesem Impuls ihre Erfahrungen . Der Impuls soll nicht nur den Fachaustausch, sondern auch mehr Experimente in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit anregen.

Von der Idee zum erfolgreichen Klima-Hörspiel

©Irfan RInaldie auf Pixabay

Die Idee eines Hörspiels entstand während der Corona-Pandemie, als Schulen geschlossen blieben und Kinder wie Jugendliche im Homeschooling unterrichtet wurden. Das Ziel war, den Schüler*innen in dieser für sie oft schwierigen Zeit auf spannende Weise attraktive Bildungsangebote zu bieten. Da viele Kinder in ihrer Freizeit gerne Hörspiele nutzen, war hier ein guter Ansatzpunkt, auch ein Produkt zu entwickeln, das ohne Bildschirm auskommt. Da wir keine Expertise im Audioformat hatten, suchten wir nach Menschen mit professioneller Erfahrung. Sie sollten die von uns erarbeiteten Inhalte dramaturgisch für die Zielgruppe aufbereiten und umsetzen.

Erzählfaden und Dramaturgie des Hörspiels

Ein grundlegendes Ziel beim Erzählen einer Geschichte ist, dass sich die Hörer*innen mit den Hauptfiguren identifizieren, um bei der Geschichte am Ball zu bleiben. Da das Hörspiel sich an deutschsprachige Kinder ab acht Jahren richtet, sollten auch die Hauptcharaktere diese Merkmale tragen und gleichzeitig mit Menschen in Berührung kommen, die von globalen Missständen betroffen sind. Darum spielen die Episoden unter anderem in Italien, Ghana und Brasilien. Das gelingt mit einer Erzählstruktur, die an die Phantasiewelten der Hörer*innen anknüpft: Grummpf, ein unentdecktes Tier und Namengeber*in der Hörspielreihe, setzt die Held*innen der Geschichte in die „Erdbahn“, mit der sie in Nullkommanichts an andere Orte gelangen.

Cover der Hörspielreihe Grummpf von ©KATE

Da die Menschen nicht an allen Handlungsorten Deutsch sprechen, wurden – mit einem weiteren dramaturgischen Trick –  die sogenannten Übersetzungsflöhe eingeführt. Sie kriechen den Protagonist*innen ins Ohr, dolmetschen alle Sprachen simultan und helfen ihnen, die Menschen auf ihrer Reise zu verstehen. Kurze Sequenzen, in denen die Flöhe nicht funktionieren, erinnern die Hörer*innen immer wieder daran, dass die deutsche nur eine von vielen Sprachen weltweit ist.

Produktionsbedingungen

Bei der Hörspielentwicklung war eine Herausforderung, Sprecher*innen zu finden, die mehrere Sprachen wie eine Muttersprache beherrschen und bereit sind, sich trotz der finanziell eingeschränkten Möglichkeiten zu beteiligen. Das ist mit der rumänischen Sprache, die in der zweiten Staffel eine große Rolle einnimmt, sehr gut, aber weniger gut mit Portugiesisch gelungen. Beide Sprachen sind für die Handlung sehr wichtig. Fürs Portugiesische wurden aber keine professionellen Sprecher*innen mit dieser Muttersprache gefunden. Hier mussten wir zwischen Muttersprache und Professionalität der Sprecher*innen abwägen und haben uns für das Zweite entschieden. Für die Zielgruppe erschien uns die Professionalität der Produktion wichtiger als die Korrektheit der Aussprache. Heute würden wir in diesem Spannungsfeld größeren Wert darauf legen, beide Kriterien gleichermaßen zu berücksichtigen. Um problematische Formulierungen und Dynamiken rechtzeitig zu erkennen, ließen wir das Skript unter einer machtkritischen Perspektive lektorieren, und passten es an einigen Stellen an.

Die Wanderausstellung Klima-Snack

Das Wissen über den Klimawandel nimmt in der Bevölkerung stetig zu. Aber noch nicht allen Menschen sind wichtige Zusammenhänge klar, wie es sie beispielsweise auch zwischen der Ernährung und der Klimakrise gibt. In die Lehrpläne der Schulen hat es die Klimakrise erst in den letzten Jahrzehnten geschafft. Ist man schon ein paar Jahrzehnte erwachsen, braucht es viel Motivation, Ressourcen und ausreichend Zeit, sich neue Inhalte zu erschließen. Nicht zuletzt kann die Sprache eine große Hürde in der Wissensaneignung bei diesem Thema sein, weil entsprechende Texte häufig in deutscher Fachsprache geschrieben werden.

Ziel der Ausstellung

Ausstellung „Klima-Snacks“ von ©KATE

Mit der Ausstellung Klima-Snacks adressieren wir Menschen, die nicht gezielt nach Informationen zum Thema suchen, sondern zufällig vorbeikommen und vielleicht einige Minuten zu überbrücken haben. Sie sollen ohne viel Aufwand oder Sprachbarrieren ein paar Wissens- und Ideenhappen aufschnappen können – Klima-Snacks eben. Insofern sind z.B. Familienzentren optimale Ausstellungsorte.

Konzept und Gestaltung
Bei der inhaltlichen Ausrichtung der Ausstellung wurde klar, dass wie beim Klimafrühstücks-Buffet für jede*n etwas dabei sein sollte: für diejenigen, die gern lesen, für die visuellen, die haptischen und auch die spielerischen Lerntypen. Thematisch wollen wir den Buffettisch ebenfalls weit ausziehen – Klima und Ernährung ist schließlich mehr als Treibhauseffekt und CO2-Bilanzen. Koloniale Kontinuitäten in der globalen Ernährungsindustrie sollten klar benannt werden und sprechen. Zudem war uns wichtig, die Ausstellung mehrsprachig zu gestalten: Die drei meistgesprochenen Muttersprachen in der Hauptstadt – Deutsch, Türkisch, Arabisch – wurden um Englisch und Spanisch ergänzt, um eine breite, internationale Zielgruppe anzusprechen und zu erreichen.

In einem der ersten Vorgespräche mit einem Gestalter fiel gleich ein Satz, der sich häufiger bewahrheiten sollte: Be prepared to kill your darlings – seid bereit, eure Lieblinge zu opfern, seid bereit, geschätzte Teile eurer Ideen und Vorstellungen zu überarbeiten oder ganz zu entfernen. So wurde aus der Idee eines herabhängenden Erdballs, an dem sich interaktiv der Treibhauseffekt erleben lassen sollte, eine einfache Abbildung, vertiefende Inhalte wanderten – verbunden durch QR-Codes – auf die KATE-Homepage und Randthemen mussten komplett weichen.

Thema Treibhausgas in der Ausstellung „Klima-Snacks“ von ©KATE

Klima-Snacks war das erste Projekt für diese Zielgruppe bei KATE, weshalb wir uns von einer Kuratorin bei der Gestaltung, Materialauswahl und nicht zuletzt bei der Fokussierung auf die Kernthemen unterstützen ließen. Um bei der Zielgruppe zu bleiben, mussten wir auf viele uns wichtige Aspekte verzichten, was manchmal schmerzhaft war. So gelang es, unsere breit gestreuten Ideen auf die vier Aspekte Grundlagen des Klimawandels, CO2-Bilanzen von Lebensmitteln, Handlungsalternativen für Ernährungsweisen und koloniale Kontinuitäten in Ernährungsweisen zu kondensieren.

Durch die inhaltliche Fokussierung blieb dafür mehr Raum für eine kreative und abwechslungsreiche Gestaltung: An den Stellwänden lassen sich nun Fenster öffnen. Die Besucher*innen können das unterschiedliche Gewicht von CO2-Äquivalenten verschiedener Lebensmittel als Säckchen in die Hand nehmen und gegeneinander abwiegen. Viele Inhalte wurden graphisch von einem Zeichner mit Südperspektive umgesetzt, unter anderem zwei großflächige Abbildungen zu Kolonialismus und kolonialen Kontinuitäten in der Ernährungsindustrie. Hier lag die zentrale Herausforderung darin, in einem wertschätzen­den Dialog dem Zeichner kreativen Raum für die Entfaltung seiner Sichtweise zu ermöglichen und gleichzeitig KATEs inhaltliche Vorstellungen abzubilden.

Wirkungen und Wirksamkeit

Ausstellung „Klima-Snacks“ von ©KATE

Bei geschlossenen Bildungsformaten wie Workshops und Projekttagen ist eine klassische Evaluation am Ende möglich. Im Gegensatz dazu gestaltet sich die Beurteilung der Wirksamkeit sowie die Wirkungsanalyse bei offenen Formaten herausfordernd und anspruchsvoll. Letztendlich fehlt der direkte Kontakt zur Zielgruppe bei der Hörspielserie genauso wie bei der Ausstellung. Darum freuen wir uns auf Rückmeldung von Leser*innen und künftigen Grummpf-Hörer*innen oder Klima-Snack-Besucher*innen.

Die erste sehr erfolgreiche Staffel und die gerade erschienene zweite Staffel der Hörspielreihe Grummpf sind auf der Website von KATE und bei allen gängigen Podcastanbietern zu hören. Die Ausstellung Klima-Snacks kann aktuell im Familienzentrum Menschenskinder in Friedrichshain besucht werden und wandert voraussichtlich ab März 2024 ins Begegnungscafé des Berlin Global Village nach Neukölln.