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Rechtsautoritäre globale Netzwerke und ihre Außen- und Entwicklungspolitik

Der BER hat zusammen mit medico international, der Stiftung Nord-Süd-Brücken und dem entwicklungspolitischen Landesnetzwerk in Brandenburg (VENROB) eine kleine, aber feine entwicklungspolitische/ internationalistische Auftaktkundgebung vor der Demo #wirsinddiebrandmauer am 3. Februar 2024 veranstaltet. Wir dokumentieren die Rede von Andreas Wulf, Mitarbeiter vom BER-Mitglied medico international, weil sie aufzeigt, was der laufende Rechtsruck für die Entwicklungspolitik bedeutet. (BER)

aus dem BER-Newsletter 2/ 2024

Rechtsautoritäre globale Netzwerke und ihre Außen- und Entwicklungspolitik

In den letzten Wochen gab es eine beeindruckende Mobilisierung gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck und besonders gegen die AfD als die größte Profiteurin dieser Entwicklung. Diese Massendemos finden inzwischen auch international Beachtung, so vor einer Woche in einem großen Bericht in der Washington Post: Germany’s surging far right Alternative for Germany party provokes a reckoning. Zu Recht stehen dabei die innen- und migrationspolitischen Positionen der radikalen Rechten und AfD im Zentrum, mit den Phantasien ethnischer Vertreibungen und Kulturkämpfen gegen alles vermeintlich Fremde in Deutschland.

Weniger im Blick sind die internationalen Vernetzungen und Positionen der AfD, wobei diese gerade bei den kommenden Europawahlen ganz entscheidend zu einer deutlichen Rechtsverschiebung des Europaparlamentes führen könnten, bisher eine wichtige, eher progressiv geprägte Stimme in den Europäischen Institutionen. Das EU-Parlament hatte zuletzt deutlich Kritik geübt an den Geschäftspraktiken der großen Pharmaunternehmen in der Covid19-Pandemie, die beinhart ihre geistigen Eigentumsrechte verteidigten. So dass trotz großer öffentlicher Förderung der Forschung und Entwicklung keineswegs „globale öffentliche Güter“ entstanden, sondern patentgeschützte Monopol-Produkte, die den Konzernen Milliardengewinne bescherten.

Auch bei den gerade laufenden Verhandlungen zu einem Lieferkettengesetz auf Europäischer Ebene könnte eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Juni eine dauerhafte Blockade bewirken.

Dabei gibt es nicht die eine große „rechte Internationale“, genauso wie es nicht die eine „linke Internationale“ gibt, die im Verschwörungsdiskursen der Rechten immer wieder auftaucht. Die autoritären, populistischen und nationalistischen Strömungen, die sich global an vielen Orten etabliert haben, und bei Wahlen mal mehr , mal weniger erfolgreich sind, unterscheiden sich z.B. in ihrem Verhältnis zur Religion (die spanische VOX speist sich eher aus einer klerikalfaschistischen Tradition, und in der südamerikanischen Rechten sind evangelikale Kirchen wesentlich tonangebend und Themen wie Abtreibungsverbote und die Ablehnung von Genderdiversität gehören zur zentralen Identität), während das in der AfD weniger zum Markenkern gehört. Und auch bei geostrategischen Fragen, z.B. wie hält man es mit Russland, könnten sich die PIS und die AfD nicht einigen.

Gemeinsam ist ihnen aber nicht nur ein autoritär nationalistisches Weltbild sondern auch ein extremer „Souveränismus“, der internationale Abstimmungen und Bündnisse immer nur von den vermeintlichen eigenen nationalen Interessen her denkt. Konsequent fordert dann die AfD in ihrem Wahlprogramm zur Europawahl eine „Nichteinmischung“ in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, die es dann auch ermöglicht, zu China und Russland pragmatische Beziehungen zu fordern und Sanktionen gegen kriegsführende Staaten oder bei schweren Menschenrechtsverletzungen abzulehnen.

Die hartnäckigen Behauptungen, die Weltgesundheitsorganisation würde im Pandemiefall die Macht über die nationalen Gesundheitspolitik übernehmen, sind ebenso ein Ausdruck solcher „Nichteinmischung“ wie die Pläne vieler dieser Rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien, die Europäische Union nur noch im Wesentlichen auf ein Verteidigungsbündnis gegen die Zuwanderung zu reduzieren. Oder die Mitgliedschaft gleich in Frage zu stellen.

Die AfD als Partei hat in dieser Phantasie ihren Ursprung, der Kampf um die D-Mark und gegen die gemeinsame Währung war ihr Gründungsimpuls, noch bevor die Migration 2015 mit der Pegida-Welle und den rassistischen Angriffen zum zentralen Thema wurde.

Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe will die AfD von einer vermeintlichen „Scham- und Schuldkultur“ befreien, die durch die „globale Linke“ mit den Stichworten Kapitalismus, Kolonialismus und Klimakrise dem Globalen Norden aufzwingt. Statt notwendiger Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums, der auf globaler Ebene Ergebnis ungerechter Weltwirtschaftsbeziehungen ist und eine Abkehr von einem fossilen Kapitalismus, fordern sie eine massive Reduktion von Entwicklungszusammenarbeit (50%) sowohl national als auch deren Abschaffung auf europäischer Ebene. Einzig die Nothilfe in Katastrophenfällen erscheint der AfD gerechtfertigt.

Nur konsequent ist da, dass sie auch bei den Menschenrechten vieles über Bord werfen wollen: Alle über ein enges Verständnis von politischen Menschenrechtenvon 1948 weiter hinausgehenden Rechte wie sexuelle und reproduktive Rechte, globale soziale und wirtschaftliche Rechte und Minderheitenrechte seien von besagter „globaler Linken“ eingeführt worden und müssten zurückgebaut werden.

Gegen eine solche globale Vision stehen wir gemeinsam hier in der Brandmauer ebenso wie gegen das ethnisch-nationalistische Konzept der Rechten, das mit den Enthüllungen der Correctiv-Plattform in die Öffentlichkeit katapultiert wurde. Das braucht den langen Atem, nicht nur über die Europawahl und die Landtagswahlen im Herbst hinaus, und die solidarische Unterstützung der Menschen an vielen Orten, in denen die Rechte bereits die kulturelle Hegemonie erobert hat. Lasst sie uns gemeinsam zurückdrängen!

Rede von Andreas Wulf, Mitarbeiter vom BER-Mitglied medico international